Sonntag, 19. Juli 2015

Über das Segeln und die Politik und die Kultur, 96. Tag

Meine Reise quer durch Europa dauert nun schon mehr als 3 Monate – Leben auf und mit dem Boot, es gefällt mir immer noch – mein kleiner Mikrokosmos hat alles, was ich brauche, wenn es auch immer mir Arbeit, Organisation und Vorbereitung zu tun hat – es ist kein Urlaub, der durch Nichtstun geprägt ist – im Gegenteil. Aber es ist schön.

Allegro, meine Dehler 32, ist aber ein Segelboot und kein Hausboot.
Also, wie ist es denn nun mit dem Segeln?

In nackten Zahlen ausgedrückt habe ich 6 Wochen gesegelt (also der Mast stand senkrecht) und dabei ungefähr 900 Seemeilen zurückgelegt.

In Wirklichkeit habe ich die Hälfte dieser Strecke – oder etwas mehr – die Maschine mitlaufen lassen, weil immer wieder Windlöcher unser Vorankommen behinderten oder der wenige Wind direkt von vorne kam, also Maschinenhilfe notwendig war.

Diese Statistik ist aber (wie mir andere Segler erzählt  haben) im Mittelmeer nicht ungewöhnlich, wir haben sogar noch einen recht großen Segelanteil.
Unterwegs in Avignon

Ich bin nach Mallorca gesegelt, um die Urlaubsinsel, die mir bei einigen Familienurlauben sehr gefallen hat, mal auf eigenem Kiel zu erkunden und selbst zu erfahren, wie es hier mit dem Segeln ist.
Nun, es ist nicht so, wie ich es erhofft hatte.

Die Winde um Mallorca, in dieser Jahreszeit meistens aus dem südlichen Quadranten sind nicht das, was man sich unter einem schönen Segelwind vorstellt – jedenfalls nicht als verwöhnter Ostseesegler.

Schon im Reiseführer stand „jedes  Cap hat seinen eigenen Wind“ und das stimmt.
Die Winde um die Insel sind tagsüber vor allem durch die Thermik beeinflusst, die Insel hat schroffe Berge und tiefe Täler, da kommen merkwürdige Ergebnisse zustande.
Ich fand es oft nervig, wenn man nach einem Cap, zu dem man aufgekreuzt war auf das anschließende Abfallen gesetzt hatte, aber der Wind einfach wieder „auf die Nase“ drehte.

Der zweite Punkt, der beim genussvollen Segeln eine Rolle spielt, sind die Wellen – und auch hier gibt es um die Insel so einige Dinge, die störend sind.

Überall Werbung für Theater

Wellen sind da, klar, es ist ja ringsherum offenes Meer – ist ja im Prinzip auch nicht schlecht. Aber, durch die meist felsigen Ufer werden die Wellen zurück geworfen, dazu kommen die allgegenwärtigen Motorboote, denen die Segler egal sind.
Also meist keine „schönen“ Wellen.
Plakate über Plakate

Unddie Veranstaltungen finden Zuspruch





Toll ist das Wasser, glasklar, blau bis grün, einfach eine Wonne es anzusehen und darauf herumzufahren.







Also insgesamt würde ich zum Segeln nicht nach Mallorca fahren, meiner Meinung nach kann man auf der Insel auf eine bessere Art Urlaub machen – und vor allem zu einer anderen Jahreszeit.
Denn die Hitze, habe ich ja nun oft erwähnt, macht einem schwer zu schaffen. Einheimischemeinten aber auch, dass es in diesem Jahr (2015) extrem heiß sei.

Schnorcheln und Tauchen gehört auch dazu, ist aber vom Boot aus nicht so ideal, wie man vielleicht denkt, denn – ich jedenfalls, als vorsichtiger Segler – würde nicht über oder in der Nähe von interessanten, felsigen Schnorchelgründen ankern.
Und an den guten Ankerplätzen ist eben nur Sand zu sehen – aber das Baden vor Anker oder an einer Boje ist wiederum toll.

Ist das Mittelmeer denn nun überhaupt ein gutes Segelrevier?
Ja, auf jeden Fall, vor der französischen und spanischen Festlandküste ist es mit Wind und Wellen angenehmer, aber (ich habe es nicht erlebt) auch gelegentlich recht rau.

Tolles Segeln hatte ich im Golfe de Lion, aber immer auch mit einem etwas mulmigen Gefühl, weil der Wind hier schnell zulegen kann und dann wenig Schutz da ist.

Diese ganze Zusammenfassung ist natürlich rein subjektiv und für die Segler hier auch nicht repräsentativ, denn sie haben alle größere Boote, unter 40 Fuß in den Häfen von Mallorca ist man schon ein Exot.

Bezeichnend ist aber trotzdem, dass ich auch bei den hier ansässigen großen Booten immer den laufenden Motor gesehen habe, egal ob mit oder ohne Segel.
Und Spinnaker, Gennaker?
Kein Gedanke, ich hatte zwar alles mit, aber kam nie auf die Idee solch ein Segel hochzuziehen.

Erstens lohnt sich der Aufwand nicht, wenn es am nächsten Cap alles wieder abgebaut werden muss – besonders als Alleinsegler und zweitens waren die Winde nie so, dass ich auf die Idee gekommen wäre, die großen Raumwindsegel herauszuholen.
Und ich habe die ganzen Wochen auf Mallorca keinen einzigen Spinnaker gesehen, außer bei kleinen Jollenregatten vor den Häfen, ab und zu.

Ich weiß es jetzt und bin froh darüber, dass es so ist und dass ich es jetzt eben aus eigener Erfahrung weiß, was für ein tolles Segelrevier wir mit der Ostsee und der dänischen Südsee vor der Haustür haben.
Zugegeben, in diesem Jahr (2015) scheint es nicht so besonders zu sein, aber mit Sonne und Wind – optimal.
Ich hoffe auf noch viele schöne Segeltage (auch entspanntere als im Mittelmeer) im heimatlichen Revier.

„Quer durch Europa“, auch ein politischer Aspekt ist für mich dabei.
Zunächst einmal, dass es überhaupt geht – für unsere Generation fast schon eine Selbstverständlichkeit, die man so hinnimmt – für unsere Kinder der ganz normale Zustand.

Aber- es war nicht immer so – das Land, in dem ich mich die längste Zeit aufgehalten habe –Frankreich – galt bis in die 50iger Jahre als der „Erbfeind“ der Deutschen, erst Adenauer und de Gaulle haben die freundschaftlichen und nachbarschaftlichen Beziehungen begonnen und ihre Nachfolger haben es weiter entwickelt.
Belgien und Holland haben unter der Naziherrschaft genauso gelitten wie Frankreich – all das ist Vergangenheit und begegnet einem kaum noch, jedenfalls nicht in  irgendwelchen Antipathien, wie Nazigruß und so weiter- was ich in den 70iger und 80igern noch erlebt habe.

Alle gehen untereinander und miteinander sehr freundlich um, Engländer, Schweizer, Holländer, Belgier, Franzosen, Spanier, Deutsche, Dänen, Schweden  – um nur die Nationen zu nennen, die einem am Häufigsten begegnen.

Geprägt war die Reise aber auch durch die ständigen Nachrichten über Griechenland und die Rettung der EU, über Merkel und Sipras und über Schäuble und Warumfragichs, oder wie der heißt.

Ein Urteil über die Verhandlungsergebnisse werde ich mir nicht erlauben, aber erledigt ist die Angelegenheit mit Sicherheit nicht - es wäre schön wenn sich in den nächsten Jahren alles zur Zufriedenheit lösen ließe.

Auch die Länder, in denen ich am längsten war, Spanien und Frankreich hatten und haben wirtschaftliche Schwierigkeiten – man merkt davon aber (aus Touristensicht) wenig.
Erstaunlich ist, dass man den Eindruck hat, den Spaniern (ehemalige Empfänger des „Hilfspaketes“ bzw. unter dem Rettungsschirm der EU) gehe es wirtschaftlich besser als den Franzosen – in den Häfen liegt mehr Kapital in Form von spanischen Schiffen herum und einige Städte in Spanien sind wohlhabend, das sieht man.

Um die Boote einmal als Indikator zunehmen, kann man erkennen, wo in Europa der Wohlstand zuhause ist.

Belgische Boote (es gibt viele) meistens teuer, groß (eher Motorboote) und bestens in Schuss, dasselbe mit holländischen Booten, davon sind aber nicht so viele unterwegs.
Die Engländer, entweder auf großen Luxusschiffen unterwegs, ganz extrem auf Mallorca, wo fast alle Supermotoryachten als Heimathafen London hatten (mag aber andere Gründe haben) – oder urig, als Aussteiger oder Weltenbummler auf merkwürdigen Kanalschiffen oder mit Ausrüstung überladenen Tourenseglern, nicht immer vertrauenserweckend – aber auf jeden Fall abenteuerlich.
Schweizer, wenig auf dem Meer, mehr auf Kanälen und mit schönen, gepflegten Schiffen.
Spanier, groß und teuer oder klein und kaputt, eine weite Spanne – aber die Mehrzahl der Boote in Spanien gehört anscheinend ohnehin den Ausländern, den Europäern.
Last but not least, die Franzosen, die in ihren Häfen eine Menge Seelenverkäufer herumliegen haben und diese auch nutzen, aber dazwischen auch immer wieder hochkarätige Regattaschiffe – schließlich ist Segeln hier fast so ein Nationalsport wie Rennradfahren.
Sportler wie  Eric Taberly, als „Urvater“ ganzer Generationen von bekannten (Einhand)regattaseglern, kennt hier fast jedes Kind.

Und die Deutschen und Skandinavier, davon am meisten die Dänen?
Meistens auf guten Booten unterwegs, aber absolut in der Minderzahl – und vom Kapitaleinsatz her gesehen, eher gut bürgerlich. Vielleicht ein Hinweis auf die breitere Einkommensverteilung in diesen Ländern, die Schere zwischen arm und reich ist nicht so groß wie woanders und der Lebensstandard ist generell erfreulich hoch aber breit verteilt.

Allerdings sind die Deutschen auf Charterbooten (Bavaria, Jeanneau, Dufour …) um Mallorca herum absolut in der Überzahl – ein reisefreudiges Völkchen sind wir also.

Und die Klammer um all das, die vielen Menschen, die vielen unterschiedlichen Lebensumstände – ja, ich glaube daran, es ist der EURO und die EU.
Etwas auf das wir in Europa stolz sein können und das für den kleinen Segler mit dem kleinen Boot und der vielen Zeit sich alles anzusehen, absolut bewahrenswert ist.
Schwer was los

Für welches Stück macht der wohl Reklame?


Und der heutige Tag (19.7) in Avignon?
Hitzerekord im Schiff mit 39,6 Grad und Theaterfestival in der Stadt, mit unzähligen Theatertruppen aus der ganzen Welt, die auf den Straßen und Plätzen Reklame für ihre Aufführungen machen – und die Leute stehen Schlange vor den Theatern – puhhh, bei der Hitze.



Aber Kultur hat hier anscheinend einen hohen Stellenwert – ich habe mich interessiert umgeschaut, die Kultur den Anderen überlassen und alle Vorbereitungen für die Weiterfahrt abgeschlossen.

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