Donnerstag, 13. August 2015

Warum ist es am (und auf) dem Rhein so schön? 121. Tag.


Weil er so ruhig dahin fließt und tief genug ist – das ist die Antwort auf die Frage in der Überschrift zum heutigen (12.8.) Bericht.
Allegro in Winningen


Ja, ich bin heute Morgen um 7:00 Uhr aus dem schönen Hafen von Winningen abgefahren, Ziel: Vater Rhein.

Der Ruhetag gestern war goldrichtig, denn so konnte ich mir – mit Hilfe des hervorragenden Internets im Hafen von Winningen – selbst ein Bild von der Lage machen.





Links neben dem Bier = Allegro
 Ich hatte außer im WWW zu forschen, auch mit anderen Bootsfahrern gesprochen und dabei – wie schon so oft – die tollsten Geschichten gehört.

Mir ist schleierhaft, wieso einige – die dasselbe Hobby betreiben, eben Bootfahren – derartig wilde Geschichten zum Besten geben.
Vielleicht fehlt ihnen ein bisschen die Gewissheit, das eigene Boot richtig zu beherrschen und das versuchen sie dadurch zu kompensieren, dass sie Horrorgeschichten mit dieser schönen Freizeitbeschäftigung mischen.
Hafen am Tag
Hafen am Abend, schön hier




Abfahrt aus Winningen








Netter, kleiner Weinort,
und August Horch war hier zuhause











Letzte Moseleindrücke





Seit ich vorgestern in Winningen abends angekommen bin, habe ich die wildesten Variationen über das Fahren auf dem Rhein aufgetischt bekommen.






Die letzte Moselbrücke - säufz ...


Einer hat mir erzählt, dass die Frachter das Wasser unter dem Kiel wegsaugen und bei dem niedrigen Wasserstand ein Aufsetzen fast unvermeidlich sei. 
... und ´raus aus der letzten Moselschleuse in den Rhein










Das mit dem Wasserwegziehen kenne ich aus den Kanälen, es stimmt, aber etwa 30 Zentimeter vielleicht, bei einer Kanalbreite von 30 Metern. Der Rhein ist 300 Meter breit, die Fahrrinne alleine etwa 200 Meter – also habe ich diese Erzählung gleich ins Reich der Märchen eingeordnet.







Koblenz und seine Sehenswürdigkeiten - voraus

Das Deutsche Eck
 Aber sehr wenig Wasser hat der Rhein, das ist eine Tatsache – dass jedoch die Geschichtenerzähler nicht einmal wissen, was Pegel und Fahrrinnentiefe eigentlich unterscheidet – das ist schon peinlich, besonders wenn man sich als allwissend, großspurig und erfahren präsentiert.








Ein Geschichtenerzähler rollte mit den Augen und orakelte „Pegel Koblenz 92 Zentimeter“ – und hat mich damit zunächst natürlich geschockt.
Der schiebt nicht nur einen, er hat auch
noch einen an der Seite








Nach meinen Recherchen bei ELVIS war mir aber sofort klar, dass die Fahrrinnentiefe nicht gleich dem Pegel ist, sondern man 250 Zentimeter dazurechnen muss (also für Koblenz 250 + 92) und dann allerding den Wert GLW (Gleichwertige Wasserstände) wieder abziehen muss, das ist für Koblenz 78 Zentimeter. Die Fahrrinnentiefe beim Pegel Koblenz hat also 264 Zentimeter – das reicht.
Und weiter stromabwärts (für mehrere Punkte werden die „Pegel“ veröffentlicht) sieht es ähnlich gut aus.
Viel Verkehr - aber genug Platz


 


Die Werte der Pegel und für GLW findet man überall, in Handbüchern, im Internet, es gibt eine Hotline und per Funk werden die Werte für den Pegel auch mehrmals täglich durchgesagt.









Warum man allerdings nicht gleich die Fahrrinnentiefe angibt, ist mir nicht ganz klar, denn so schwer ist das (im Computerzeitalter) ja nicht auszurechnen – ich glaube, es hat irgendetwas mit der Ladetiefe der Berufsschifffahrt zu tun.

Der Nächste, mit dem ich geredet habe, meinte nur „Ich würde das nicht wagen“ und rollte ebenfalls Katastrophen vorhersehend mit den Augen und blies die Backen auf.

Kein Wunder, dass ich erst einmal ziemlich unsicher war – die fahren schließlich alle in diesem Revier herum – sollte man jedenfalls denken.

Nach einem Tag Abwägen und Informieren und nach den Vorhersagen des Pegels für die nächsten Tage (fallend!) war die Sache klar – los und zwar schnell.

Die Entscheidung war richtig, denn der Rhein empfing mich mit schön mitlaufender Strömung von 3 – 4 Knoten, leichtem Rückenwind (wie vorhergesagt), also keine steile Welle wie auf der Fahrt im April – und mit Wassertiefen zwischen 3 und 10 Metern.
Also zu den errechneten Mindesttiefen kam noch ein Sicherheitsaufschlag des Wasser- und Schifffahrtamtes.

Die 44 Meilen von Winningen bis Hondorf (hinter Bonn) haben wir dann (inklusive Schleuse) 6 Stunden zurückgelegt – das machte Spaß – auf dem Rhein ständig zwischen 7 und 9 Knoten.

Die heute einzige Schleuse (Koblenz) fragte mich noch einmal nach dem Tiefgang, weil ich ins kleine Schleusenbecken geschickt wurde, das heute nur bis 1,80 Meter zugelassen war – real war es aber auch 2,40 tief.

Der Rhein hat also wirklich wenig Wasser, aber für Allegro immer noch genug – und morgen soll der Pegel noch so ähnlich sein wie heute, also schnell bis Duisburg und dann rechts ab in die Kanäle – und dann will ich mir über Wassertiefen keine Gedanken mehr machen müssen, basta.

Noch ein paar Worte zum Hafen von Winningen, prima Hafen, nettes Restaurant und alle Serviceeinrichtungen (sogar Ikea für Segler, Niemeyer) gibt es dort.
Einer der Katastrophenpropheten wies mich auch noch ausdrücklich auf  das gute Winterlager hin, man habe extra Böcke für Segelboote vorrätig – omG.

Eins habe ich gelernt und kann es nur jedem empfehlen, man muss sich selbst ein Bild machen und dann entscheiden – und darf sich nicht von irgendwelchen Schnackern verrückt machen lassen.

Stammtischgequatsche, Heldengeschichten – das gibt es aber wohl in jedem Bereich und nicht nur unter Wassersportlern.

Außer mich mit ELVIS zu beschäftigen, habe ich noch das nette Weinörtchen Winningen durchstreift, bei einem Winzer ein bisschen Wein eingekauft und gelernt, das August Horch, der Gründer oder Mitbegründer der Audiwerke in Winningen gelebt hat und Ehrenbürger ist (war).
Das wäre mal eine Frage für „Wer wird Millioär“, mindestens die 500 000 Euro Frage – Reisen bildet.

Die Fahrt auf dem Rhein also prima, trotz ziemlich viel Verkehr – aber bei 200 Metern Fahrrinnenbreite kann man den Frachtern gut ausweichen, außerdem passiert ja alles relativ langsam und man kann gut reagieren.
Besonders das Schlangenlinien fahren (große Bogen) kommt häufig vor, denn die Berufsschifffahrt fährt nicht immer rechts, sondern je nach Strömung oder kürzerem Weg, wird die Flussseite gewechselt – diese „Geisterfahrer“ setzen dann ein großes blaues Schild (wie eine Jalousie),so dass man sieht, aha, an der anderen Seite vorbei – klappt prima, auch, wenn viele entgegenkommen.

Außer der schönen, stressfreien Fahrt, war der Tag heute auch eine Fahrt durch eigene Erinnerungen und fast eine Geschichtsstunde (Wie hieß das noch? „Lernen am anderen Ort“, genau).

Es fing an in Koblenz, wo ich also Bundeswehrpflichtiger in den 70ern mit ein paar Kumpels auf dem Weg zu einem Lehrgang in München Halt gemacht habe und das Deutsche Eck und die Burg Ehrenbreitstein besichtigt habe.
Weiter ging es mit Andernach, wo mein Vater in den 60ern und 70ern seine Wehrübungen im Pressebatallion absolviert hat – in der Zeit des „Kalten Krieges“ und der anschließenden „Entspannung“ mit einer Menge Desinformation und Propaganda eine interessante Sache – heutzutage erledigt die NSA ja all diese Dinge.

Kurz darauf die Ruine der Ludendorff Brücke, besser bekannt als die Brücke von Remagen, die im 2. Weltkrieg die letzte intakte Rheinbrücke war und nach misslungener Sprengung durch die Deutschen den Weg für die amerikanische Truppen ins Hinterland darstellte. 
Die Brücke von Remagen, Westteil
... Ostteil
 

Röhndorf, Wohnort des ehemaligen Kölner Oberbürgermeisters und späteren ersten Bundeskanzlers - wie hieß er noch? Richtig, Konrad Adenauer.

Weil es so praktisch für den „Alten“ war, wurde Bonn dann auch gleich provisorische Bundeshauptstadt der jungen Bundesrepublik, das „Provisorium“ hielt von 1949 (Gründung der Bundesrepublik) bis 1990. Die Regierung blieb sogar bis 1999 hier, dann folgte der Umzug nach Berlin.
Ehemaliges Regierungsviertel

Ich war als Schüler in Bonn und damals beeindruckt von Regierungsviertel, mit der Villa Hammerschmidt, dem „langen Eugen“ (benannt nach Eugen Gerstenmeier, dem damaligen Bundestagspräsident) und dem Palais Schaumburg - jetzt, besonders im Vergleich zu Berlin sieht doch alles sehr provinziell aus – aber, es hat funktioniert und sollte ja auch nur vorrübergehend sein, wie im Grundgesetzt stand. 




Villa Hammerschmidt
Dass es dann vier Jahrzehnte dauerte, konnte niemand ahnen – dass es überhaupt passierte, mit der Wiedervereinigung – auch nicht.
Der Petersberg

Vom Rhein in der Vorbeifahrt gut zu sehen, die Tagungsstätte „Petersberg“, in der immer wieder ganz, ganz wichtige Konferenzen stattfinden - die Bundesrepublik ist dann der Gastgeber.

Also unterwegs einige Zeit, um in Erinnerungen zu versinken – aber ruck-zuck, liegt die Hafeneinfahrt rechts am Ufer – und es wird Zeit einzulaufen.
Dummerweise kommen mir gerade drei Frachter entgegen, mit blauem Schild, also auf der rechten Seite. Ist wohl besser, die erst durchzulassen.

Trotz Leerlauf „machen“ wir noch 3 Knoten – und ich muss ein paar Meter gegen den Strom zurück in die Einfahrt.

Schon die paar Meter machen klar, dass eine Fahrt von Duisburg nach Koblenz (etwa 190 Kilometer), also stromaufwärts für Mensch und Material ein Quälerei gewesen wäre – wir schaffen 2- 3 Knoten, mit über 2000 U/min.
Wikinger vor Bonn


Der Hafen Mondorf liegt idyllisch in einer Rheineinbuchtung – und ist tief genug.
Das hat den Ausschlag für die Wahl als Zwischenstation gegeben, denn der Hafen von Köln (habe angerufen) hat zurzeit nur 1,45 Meter Wasser, Düsseldorf wäre zu weit.







Der schnuckelige (und tiefe) Hafen von Mondorf
Das Problem mit dem niedrigen Wasserstand zeigt sich also hauptsächlich darin, dass die Auswahl der Häfen sehr eingeschränkt ist – Mondorf ist die rühmliche Ausnahme.
Außerdem hatte ich auf Großstadt sowieso nicht so viel Lust – ich habe so viele schöne Städte gesehen – die Aussicht bei über 30 Grad in Köln oder Düsseldorf herum zu latschen hat mich nicht besonders gereizt.




Mondorf, hübsche Bucht im Rhein, schwellgeschützt


Inzwischen ist es 16:00 Uhr und der Hafenmeister wird bald seinen „Dienst“ antreten – mal sehen, ob ich hier Internetzugang bekomme.
Bei einer derartig geschichts- und bedeutungsträchtigen Umgebung sollte das doch kein Problem sein.
Oder Minister Dobrindt?






Update, 2,5 Stunden später – wieder kein Internet.
Also wird nur der Text hochgeladen, mit meinem Internetstick, die Fotos folgen dann morgen.
Morgen werde ich – toitoitoi – in Duisburg in einem Schicki-Micki Hafen sein, „umgeben von architektonisch reizvollen, denkmalwerten und stadtbildprägenden Mühlen – und Speichergebäuden“, so schreibt das Handbuch.

Jedenfalls ist er tief genug und das ist die Hauptsache.
Bis dahin sind es 120 Kilometer, weit aber zu schaffen – wird spät.

…und wird es dort Internetgeben?