Montag, 20. Juli 2015

Hitzeschweiß oder Angstschweiß, die Rhone zeigt was sie kann und was nicht, 97. Tag




Die Wettervorhersage für heute (20.7.) sieht nicht so besonders aus, zwar Sonne (wie immer) aber starker Nordwind, in Böen 7 – das ist zwar noch kein Mistral, aber die Richtung ist dieselbe – und für uns hieße das – genau von vorne, dazu kommt die Strömung der Rhone.
Ablegen aus Avignon

Ich muss mich entscheiden zwischen einem weiteren Tag in der Affenhitze schmoren oder eine anstrengende (für mich und den eventuell den Motor) Fahrt in Kauf nehmen, Hitzeschwei? Oder Angstschweiß?

Ich entscheide mich für den Angstschweiß – man kann ja immer noch umkehren, wenn es zu doll wird.





Also los um 6:00 Uhr, denn ich will so weit wie möglich kommen – durch dieses Niemandsland der Rhone mit den wenigen Anlegestellen, der langweiligen Landschaft und den vielen Atomkraftwerken.
Morgenstimmung

Optimal wäre es, bis Valence zu kommen (da war gestern die Tour de France, leider verpasst) – aber dann muss alles klappen – mal sehen.

Morgens ist der Wind noch sehr angenehm, ich schwitze nicht, weder wegen der Wärme, noch aus Angst – bei diesem Wetter gefällt es mir an Bord in Fahrt ohnehin am besten – der fahrtwind kühlt so schön.





Dann die erste Enttäuschung, schon bei der ersten Rhoneschleuse nach einer Stunde Fahrt, muss ich 90 Minuten warten, weil die Berufsschifffahrt Vorrang hat – und es kommen 2 von hinten und einer von stromaufwärts.
Die Brücke ist immer noch nicht repariert

Schön - bis zur ersten Schleuse

Mist – Valence in weite Ferne gerückt.
Nach der Schleuse legt der Wind wie erwartet zu, es werden wirklich 7 Beaufort, sogar Wellen mit Schaumkronen kommen uns entgegen. Aber nicht besonders hoch und nur solange, wie der Flusslauf genau in Windrichtung liegt.






Allegro nimmt das ungerührt hin, der Yanmar Diesel schnurrt mit 2000 U/min und wir schaffen immer noch, trotz Wind und einigermaßen Strömung, meistens über 4 Knoten.

Und der Angstschweiß? Der trocknet sofort im Wind, wenn er überhaupt vorhanden war.





Da warte ich ...

... dass die da aufmacht
Angst eher weniger, schwitzen schon gar nicht – aber immer wieder die Gedanken, was jetzt tun, wenn irgendetwas (am schlimmsten der Motor) ausfällt – man kann das einfachnicht so leicht abstellen.


Zweite Schleuse, dasselbe Drama, ich drehe Kreise vor den rot-grünen Lampen (Vorbereitung), von hinten kommt ein Frachter, Lampe grün, ich hinterher, Lampe rot, ich zurück , um wieder zu kreiseln, es kommt noch ein Berufsschiffer, dann ist die Schleuse voll.



Ich funke die Schleuse an „La prochaine fois?“, „Oui, la prochaine fois“.

Dauert aber wieder 90 Minuten, weil auch noch ein Passagierschiff von oben kommt.

Die dritte Schleuse – meine Lieblingsschleuse „Bollène“, weil sie so hoch und so schnell ist, lässt mich „nur“70 Minuten warten, dann aber im Fahrstuhltempo 26 Meter nach oben.


... drin!

... und die Zügel in der Hand
Zwischen den Schleusen flotte Fahrt – das heißt relativ flott – denn die Rhone hat heute ihren wilden Tag und strömt mir ordentlich entgegen – aber 4 Knoten sind immer `drin, dank‘ Yanmar – zuverlässig- bleibt hoffentlich so.








Nach der Fahrt messe ich die Temperatur mit dem Laserthermometer, keine auffälligen heißen Stellen, 60 Grad direkt nach dem Abstellen – das ist o.k.


Irgendwann zwischendurch passiere ich die „Port de Soleil“, die Sonnenpforte – hinter der es (von Norden aus gesehen) keine Wolken mehr am Himmel gibt – immer Sonne, Sonne, Sonne.
Irgendwie bin ich froh, dass ich heute von Süden kommend durch die „Porte“ fahre – aber bisher keine Wolken – so ein paar Schönwetterwolken wären schon gut, kommt noch.



St. Etienne, schaut ganz nett aus, kommt aber zu früh.

Bollène, meine Lieblingsschleuse

Drinnen ist es auch "schön".

... und hoch (26 Meter Hub)

Es wird spät, zu spät für einen Hafen

Eine Nacht vor der Schleuse
Inzwischen sitze ich an Bord vor der vierten Schleuse (Chateau Neuf du Rhone), ich habe den Warteplatz als Übernachtungsplatz (natürlich ohne Strom Wasser und Dusche) auserkoren, denn bis Valance ist es nicht zu schaffen – schade.
























Morgen also nach Valence, dann nach Condrieu und dann nach Lyon – Rhone fertig!
Wenn das so klappt – und es ist anders nicht möglich, wegen der Entfernungen und der Schleusen – habe ich die Rhone in 5 Tagen erklommen – prima wäre das, auch wenn es mit mehr Schleusenglück noch ein Tag weniger hätte sein können.






Also die Rhone kann strömend sein, sie kann windig sein, man kann leider nicht pünktlich auf ihr sein und sie kann uns nicht aufhalten.

Zum Abschluss die Antwort auf die naheliegende Frage – warum die Hetzerei?






Nun, der Teil der Rhone hinter mir und der Rest der Strecke bis Valence gehört überhaupt nicht zu meinen Favoriten – keine Anlegestellen, geschweige denn Häfen, langweilige Landschaft (meist), viele Kraftwerke, betonierte Ufer – also: einfach nur durch da und gut ist – ich bin dabei, morgen mit frischen Kräften und weniger Gegenwind.