Dienstag, 16. Juni 2015

"Europäischer" Segeltag und Ökostrom, 61. Segeltag



Ich sitze am leergegessenen Frühstückstisch im Olympiahafen von Barcelona und schreibe die Erlebnisse von gestern (15.6.) auf – gestern Abend war ich zu müde und hatte einfach keine Lust mehr.
Bootsnachbarn in Palamos

Der Wetterbericht von gestern hatte leichte Winde aus wechselnden Richtungen vorhergesagt, beginnen sollte es mit Südost, dann auf Ost und zum Schluss auf Südwest drehen.
Weil ich bisher mit den Wetterberichten immer sehr zufrieden war, war mein Erstaunen groß, also ich vor dem Hafen auf einen mittleren (3 – 4 Beaufort) Nordwest traf – umso besser, schräg von hinten und genug, also ging’s mit 6 Knoten Richtung Barcelona – Entfernung 51 Meilen.


Costa Brava, von außen.

Beim Segeln beobachtet man ja ständig das Wetter und vergleicht es mit den Vorhersagen, um das Revier und die typischen Entwicklungen ein wenig einschätzen zu können.
Heute – wie gesagt – eine überraschende Diskrepanz zwischen Vorhersage und Realität – ob das andere auch nicht stimmt, z.B. die Vorhersage, dass nachmittags Gewitter möglich sind? Kommen die vielleicht früher?




Nööö, es pendelte sich alles auf die Vorhersage ein – nur hatte ich nicht bedacht, dass im Süden alles ein bisschen gemächlicher beginnt, welcher Spanier oder Franzosen segelt schon um 7:00 Uhr früh los? 
Um 9:00 Uhr, pünktlich zum Frühstück schlief dann der Wind ein, also Motor an und Baguette, Käse und Kaffee ins Cockpit und ein Flautenfrühstück eingelegt.
Mein Vorschlag wäre, die Wetterberichte um die Frühstückspause zu ergänzen, denn am Vortag war es genauso – und nach dem Frühstück kam der Wind (wie angekündigt) aus Südost wieder, Stärke 2.
Bestimmt auch die Thermik (auflandig), die den Nordwestwind „gekillt“ hat.
 
Thermikwolken über dem Land - Schönwetterwolken
 Bis dahin hatte ich eine weitere Lektion in europäischer Segeltechnik gelernt, denn der Nordwestwind wehte vom Land her und die Costa Brava (an der wir entlang segeln) besteht aus bewaldeten Bergen mit Tälern dazwischen – der Nordwest „pfiff“ also mit 4 Windstärken aus den Tälern auf’s Wasser –gutes Segeln – vor den Bergen war dann Pause, nur noch 2 Windstärken – und das im regelmäßigen Wechsel.
Llorett de Mar

Bergiges Hinterland


Jetzt verstehe ich die „spanisch-französische“ –Segeltechnik (Segel-oben-Motor-an) – nach einer Weile hab‘ ich das auch so gemacht – aber nicht den ganzen Tag.
Passt irgendwie zum Motto meiner Reise, „quer durch Europa“, für jedes Revier gibt es typische Verhaltensweisen – spanisch-französisch, dänisch, deutsch – was kommt noch?





Bis zur Mittagszeit war ich allein vor der Costa Brava, höchstens ein paar Fischer waren in der Ferne unterwegs – ist ja auch Montag, auch Spanier müssen zur Arbeit.

Gegen Mittag passierte ich dann Llorett de Mar, bekannter Urlaubsort, Partytime – nichts für mich, weiter nach Barcelona, zu Messi, Nehma, Karabatic, la Sagrada Familia, der Cathedrale und und und … ich bin gespannt.
Ich habe dann genau 2 Monate von Flensburg bis Barcelona gebraucht, brutto. Netto 8 Tage weniger – ich habe – aus meiner Sicht – nicht gehetzt, sondern meine Aufenthalte auf die „hot spots“ begrenzt. Eine weitere Etappe meiner Reise wird also in Barcelona abgeschlossen, es folgt die
Überfahrt (über Nacht) nach Mallorca und die Zeit (5 – 6 Wochen) dort.

Der Segeltag hat alles mit sich gebracht – Gutes und weniger Gutes. Nach dem schönen Wind am Morgen ging es durchwachsen weiter, mal Motor, mal Segeln – zum Schluss, als der Wind wie vorhergesagt auf Südwest mit vielleicht Stärke 1 -2 drehte, ein ganz übles Geschaukel – so bin ich seit meiner Babyzeit nicht mehr geschaukelt worden, Wellen von allen Seiten und kaum Wind, dauerte fast 2 Stunden und war nervig.
Vorher, seit etwa 13:00 Uhr konnte ich Barcelona schon erkennen, Hochhäuser und bekannte Gebäude – das ist auch nervig, wenn man das Ziel sieht, denkt – „och, bald da“ – und dann dauert es und dauert und schaukelt und schaukelt…waren ja noch etwa 20 Meilen.
Naja, um 17:00 Uhr eingelaufen, also 10 Stunden Fahrt, festgemacht vor der Capitainerie (macht man hier so), Papiere geschnappt (mindestens Internationalen Bootsschein, internationalen Versicherungsnachweis, Personalausweis, Kreditkarte empfehlenswert) und ins Büro, um einzuchecken und den Liegeplatz zugewiesen zu bekommen.
Eine nette Spanierin begrüßte mich und bemerke gleich, dass sie neu auf dem Platz sei und noch nicht alles wüsste – ich sagte optimistisch „no problem, I can help you“.
Wirklich optimistisch von mir, denn die Prozedur – anders kann man es nicht nennen – dauerte 60 Minuten, nur um Adresse, Bootsdaten und Bootsnamen aus den Papieren abzuschreiben – aber das Computerprogramm schien sehr kompliziert zu sein – aber nett war sie – und ich habe ja Zeit.
Der Preis für eine Nacht im sehr schicken Olympiahafen (Erkundung später): 
37 Euro pro Nacht – das geht, finde ich.

Als alles erledigt war, mit Motor zum Liegeplatz mit Mooring, Marinero (hört sich an wie Torero) wartet schon – gefällt mir, hier bleibe ich mindestens 3 Nächte.

Landstrom ist natürlich inclusive, aber eigentlich brauche ich den nicht so dringend.
Mal ein kurzer Exkurs zu meiner Energiebilanz:
Seit Sète habe ich ja mein Solarpanel am Heck montiert, das zweite schlummert noch in der Achterkammer. 
Ökostrom am Heck

Pfosten war ein Surfmast, Kugelgelenk und Bauhausware.

Es hat einen WP-Wert von 60, müsste also unter idealen Bedingungen 5 Ampere Ladestrom liefern (falls ich das nicht richtig wiedergebe, bitte ich um Entschuldigung, mein Physiklehrer war auch nicht besonders). Ich kann das Panel unterwegs zur Sonne hin ausrichten, mittels Kugelkopf und Feststellknebel, funktioniert gut.







Unausgerichtet produziert das Panel 2 -3 Ampere, bei exakter Ausrichtung 4,5 Ampere – das kann sich sehen lassen finde ich – und ich komme seit dem immer mit vollen (oder fast vollen) Batterien in den Hafen - vorausgesetzt die Sonne scheint. Aber auch bei bedecktem Himmel, kommt etwas an, weniger zwar, aber immerhin - dank MPPT-Regler.




Der Kühlschrank verbraucht (nur, wenn der Kompressor läuft, etwa 4 -5 Ah, Logge und Instrumente dauerhaft 1 – 2 Ah), das gleicht sich fast mit dem produzierten Strom aus.
Vor Anker kann ich dann noch das zweite Panel an Deck legen, da wo gerade die Sonne hinscheint – dann könnte ich noch etwas ins spanische Stromnetz einspeisen, mal sehen, ob ich das auf Mallorca irgendwie hinbekomme. Allegro – der segelnde Ökostromsproduzent – kleiner Scherz am Rande.

 
Blick aus dem Cockpit - nachts.

Da hinten ist Party - Olympiahafen Barcelone

Heute also Besichtigungsprogramm in Barcelona , nach dem Wäschewaschen, Tanken, Einkaufen usw. erledigt ist.
Der Olympiahafen ist von den Spielen aus dem Jahr 1992, ein gutes Jahr. 








1992 wurde geheiratet, Sohn David geboren, 40. Geburtstag, Freddy Mercury singt mit Montserrat Caballé "Barcelona"  - www.youtube.com/watch?v=IHRd0R-uKHc -  


schöne Erinnerungen, die in diesem Hafen, wegen des Datums- wieder zur Oberfläche kommen. Außerdem bin ich einfach happy, dass ich es ohne ernste Problem bis hierhin geschafft habe – quer durch Europa.



Noch eine kleine Geschichte für den Tierfreund:
Ich habe unterwegs zum ersten Mal fliegende Fische gesehen und war "baff", wie schnell die sind. Sie kommen aus dem Wasser geschossen und zischen mit mächtigem Tempo 30, 40 Meter weit durch die Luft, um dann mit einem uneleganten Platsch wieder unterzutauchen. 

Wenn man da im Weg ist, muss man wirklich in Deckung gehen - oder es gibt eine Crash, den wahrscheinlichdas Boot eher übersteht als der kleine (20 cm etwa) Flieger.




Damit werde ich die Katalanen beeindrucken -
ob sie das verkraften?
 

Auf geht´s, die Pflichten und das Besichtigungsprogramm stehen auf dem Plan.
Ich werde auf Taschendiebe achten (soll es hier geben) - aber bei dem T-Shirt werden sie sich nicht an mich herantrauen - Sieg im Halbfinale 2014 gegen Karabatic und Co. - Respekt SG!