Samstag, 11. April 2015

Kurz vor der Abfahrt


Quer durch Europa – bald …
Wer von uns Seglern kennt das nicht: Man sitzt im Wohnzimmer, im Büro oder sonst wo, guckt aus dem Fenster und ist in Gedanken ganz woanders.

Die Hagelschwaden an einem bedeckten Februar Nachmittag ziehen draußen vorbei – und man träumt von 3 – 4 Windstärken, wenn’s geht schräg von hinten, von warmem, sonnigem Wetter und von einem vergleichbaren Segelboot, das weiter vorne auf dem gleichen Kurs segelt – und das wir mit ein bisschen Schotengezupfe  langsam aber sicher einholen.

Kajüte im Winter - oder sieht das bei Euch anders aus?
Segler-Träume im Winter eben – aber eins ist sicher, der nächste Frühling kommt bestimmt und damit der Aufbruch zu neuen Zielen, für mich die Tour „Quer durch Europa“.

Ein paar Bilder aus der „dunklen“ Zeit, aus der oft dunklen Bootshalle, die aber niemand von uns missen möchte, weil sie zwar kalt aber trocken ist.



 


Da links, das Helle, das ist das Licht am Ende des "Wintertunnels"

 





























Kartentisch - zweckentfremdet


Trotzdem, die Zeit bis zum Start verrinnt fast ein bisschen  langsam, das Boot ist inzwischen fertig vorbereitet, eigentlich kann es losgehen – wenn das Wetter noch etwas freundlicher würde. 
Und … aufgeräumt wird auch noch, die nächsten Bilder werden anders aussehen, versprochen.

Wenn also so direkt nichts mehr vorzubereiten ist, schweifen die Gedanken ab:   Fragen tauchen auf wie „Was brauche ich unbedingt?“  oder „Was kann passieren?“ oder „Bin ich eigentlich ein Egoist auf dem Egotrip?“

Ja, neben all den Dingen, die jeder an Bord hat und die höchstens gesichtet, repariert oder optimiert werden müssen, gibt es noch ein paar Dinge, auf die ich nicht mehr verzichten möchte oder die besonders für meinen „hygelligen Trip“ wichtig sind:

Da ist erstens mein I-Pad (noch Version 2 mit GPS, aber völlig ausreichend) mit Karten von ganz Europa, inklusive Kanäle  -  und das für etwa 60 € (Navionics XG 46, speziell für I-Pad mit X-Traverse und iNavX).
Das I-Pad ist zusätzlich Unterhaltungsmedium, Kommunikations-Zentrum, Musikbox per bluetooth am Lautsprecher, zeigt AIS-Daten an und dient als Plotter.
Also fast die Eier-legende-Wollmilchsau, mit dem kleinen Makel, dass es empfindlich auf Wasser reagiert – die wasserdichte Schutzhülle von Armor-X gehört also unbedingt dazu.

 

Speziell für meine Reise brauche ich noch ein paar Handbücher und Seekarten in
Papierform, die (besonders die Bücher) außerdem prima geeignet sind, um die oben angedeutete Februar-Stimmung effektiv zu bekämpfen.
 





Der Schutz gegen die Sonne, wegen der ich eigentlich auch in den Süden fahre.

Aber im Übermaß ist selbst das ungesund, was uns im Norden oft fehlt, also:
Sonnenhut in allerlei Varianten, vom Hautarzt empfohlene Sonnencreme und ein Bimini (meins ist noch nicht fertig, wird aber so ähnlich aussehen) über dem Cockpit der 32iger.


 Und die Segel,
- last but not least – denn eigentlich ist es ja selbstverständlich, dass auf einer Segelyacht Segel dabei sind.
Bei mir: Groß, Sturmfock, Selbstwendefock, Ersatzfock, Genoa, Gennaker und vielleicht der Spinnaker.
Warum erwähne ich diese Selbstverständlichkeit?

Ich wollte einfach mal mein neues Großsegel zeigen und hier ist es.
Auf dem Foto noch in der Werkstatt von LEE-Sails, inzwischen zuhause im Keller.

Material: Path Membrane Cruise Technora Taft/Taft - Laminat, hört sich gewaltig an, ich hoffe, der "Segelmacher meines Vertrauens" hat die richtige Tuchauswahl getroffen. Bin optimistisch und gespannt.





Was so alles passieren kann – mag man sich im Einzelnen  gar nicht ausmalen – man sollte es aber, denn auch das gehört zur Vorbereitung.
Ganz konkret: Reden über die Angst.
Angst begleitet uns in allen Bereichen, auch wenn der typische „Segelheld“ vom Stammtisch das nicht zugeben wird und Sätze wie „hoch die Lappen und über die See ge-r-r-r-itten“ von sich gibt. Die Angst ist da, aber man soll sich ja nicht unterkriegen lassen …

Es gibt die Angst, dass eine überstandene Krankheit zurückkommt, das hat aber Nichts mit dem Segeln zu tun – also einfach bei Seite schieben und immer positiv denken.

Es gibt die Angst, etwas Wichtiges zu vergessen – die Steuererklärung, die Kontovollmacht, die Daueraufträge als Überweisung auf das Reisekonto mit der kostenfreien Kreditkarte im Ausland, noch was?
Ach ja, "péage plaisance", frei übersetzt "aus Freude am Bezahlen"?, übers Internet bestellt, ganzjährig knapp 250.--€.
Hoffe das war alles - gut, dass es diese Angst gibt, sie hilft genau zu planen.

Es gibt die andere Angst: dass das Boot einen Kratzer bekommt, dass eine Untiefe im Weg liegt, dass der Motor schwächelt – und so Einiges mehr, alles Dinge, die („shit happens“),  passieren können, die möglichst vermieden werden sollen.
Die Angst führt zur Vorsicht, Planung und Bedachtsamkeit – ist also gut.

Dann gibt es noch die Angst, die mich am meisten nervt.:
Wahrscheinlich kennt es jeder: Man wacht nachts auf, alles dunkel, der Wintersturm schüttelt die Bäume im Garten, es ist irgendwie kalt und ungemütlich – und man hat gerade geträumt, dass man vor Anker liegt in einer schönen Bucht mit (leider) felsigem Ufer und der Wind, der gerade weiter zulegt (im Garten und im Traum), dreht, L e g e r w a l l.
Der Schreck wirkt noch eine Weile nach, ehe man ganz wach ist  - aber das Einschlafen fällt danach doch schwerer. Am nächsten Morgen ist alles vorbei, das Licht ist wieder da, die dunkeln Phantasien sind wie weggeblasen – oder sollte ich besser sagen – weggewischt?

Ja, das nervt – aber nichts ist umsonst und auch die Vorsicht und Bedachtsamkeit haben ihren Preis und diese Ängste bringen uns dazu, alle Eventualitäten so gut wie möglich einzukalkulieren – also Wetterbericht hören, „gut“ ankern, usw., einfach immer auf der Hut sein. Dazu hat übrigens die Yacht Zeitung gerade mehrere Seiten herausgegeben (Thema Seemannschaft), bin ich leichtsinnig, weil mir diese kargen Zeilen reichen?

Abfahrbereit !
Und nun zur letzten Frage, bin ich ein Egoist, dass ich mir die Reise gönne?

Das müssen andere beantworten, deshalb kommt die Familie zu Wort:

Zitat von Andrea, David und Christian:

 „‘gönn Dir!“.   

       Thx!