Freitag, 10. Juli 2015

Überfahrt - nicht ohne Schwierigkeiten, am Ende versöhnt, 85. und 86. Tag



Gestern hatte ich noch geschrieben, Mallorca mache mir den Abschied leicht (Hitze, viel gesehen, Baustelle vor Café …), heute (9.7.) habe ich den Eindruck, die Insel will mich nicht weglassen.

Das Auslaufen um 6:15 Uhr morgens fällt nach den Urlaubstagen mit Andrea ein bisschen schwer, aber ich fahre bewusst so früh los, direkt nach dem Aufstehen, damit ich meine ganze „wache“ Zeit auf die Überfahrt ans Festland konzentrieren kann  - und nicht wie bei der Herfahrt im Lauf des Vormittags an der Pinne immer wieder einnicke.
Da könnte Andrea ´drinsitzen - das Foto hat sie aber selbst gemacht, schick!

Ich werde zwar vor dem Morgengrauen ankommen, aber die Küste ist leicht zu erkennen, voll beleuchtet durch Hotels, dem Flughafen Barcelona usw.. Bei Mallorca war ich mir nicht so sicher und wollte deshalb nicht im Dunkeln ankommen.





Die Fahrt aus der Bucht von Andratx ist ruhig und so schön, dass ich doch ein bisschen wehmütig an die vergangenen schönen (wenn auch heißen) Tage zurück denke, wir segeln bei glattem Wassermit 5 Knoten um die Ecke auf die Durchfahrt zwischen Dragomera und Mallorca zu - und es kommt wie immer, der Wind dreht auf die Nase, das habe ich aber erwartet bei der engen Durchfahrt.
Abfahrt aus dem schönsten Hafen- schöne Erinnerungen bleiben


Also dänisches Segeln, mit Motorunterstützung, denn für langes Aufkreuzen fehlt mir die Geduld. Ich will besonders zu Beginn des langen Tages keine Zeit verlieren.

Was ich so nicht erwartet habe, sind die Wellen am Ausgang der Durchfahrt- aus Norden, - da will ich hin – und es sind echte „Dinger“ dabei.


Letzter Blick (vom Boot aus) auf die Kneipen - wir kommen wieder.

Links Dragomera- rechts Mallorca, sieht ruhig aus, aber ...


Im Norden liegt der Löwengolf, auf dem es (laut Wetterbericht) gerade hoch her geht und die entsprechenden Wellen laufen ohne Hindernis nach Süden. Hier vor Dragomera steigt der Meeresboden von mehreren hundert Metern auf 40 – 50 Meter an, es bilden sich hohe Wellen.
Die Sonne geht auf, der Wind dreht...







Sie sind nicht gefährlich, weil der entsprechende Wind nicht da ist und sie noch lang sind, aber es ist schon beeindruckend, wenn man so einen Berg mit dem Boot hinauffährt und danach wieder ins Wellental nach unten, wie im Fahrstuhl. 








Die Höhe ist schwer zu schätzen, wenn man mitten drin ist, aber ich tippe so auf 5 – 6 Meter, aber eben recht lang und nicht brechend.
Im Laufe der Zeit nimmt die Wellenhöhe ab, aber gelegentlich gucke ich an den Horizont und denke, „oh, ein Frachter“, bis das Ding in sich zusammenbricht, es war einfach nur ein Wellenberg.

Aber man gewöhnt sich daran, ich kann den Kurs in etwa halten, obwohl der Wind – hier noch in der Nähe der Insel – nicht wie vorhergesagt aus Ost kommt, sondern auf Nordost abgelenkt wird.
Da ich erst einmal nach als Kurs Nordnordost habe, bleibt der Motor an – gegen die Wellen anzusegeln hätte keinen Zweck, dann wäre ich doppelt so lange unterwegs.

Also Mallorca will mich nicht weg lassen, ans Umkehren denke ich aber nicht – einfach immer weiter, alles kann sich auch zum Besseren ändern und eine Winddrehung auf Südwest (gut) ist vorhergesagt.

Die andere Sache, die mir einen Schrecken einjagt ist der Motor. Was tut man, wenn man 24 Stunden vor sich hat und die Fahrt geht immer geradeaus, dem Horizont entgegen?
Man denkt an nichts und achtet automatisch auf alle Geräusche und Merkwürdigkeiten.

Und da gibt es plötzlich eine: der Diesel verliert an Drehzahl, geht aber nicht aus und kommt dann wieder, wenn ich mehr Gas gebe nimmt er es auch an – trotzdem, das ist neu und beunruhigend – und mir rutscht das Herz in die abgewetzten Segler-Shorts.

Umdrehen, Weiter?
Weiter! Zur Not kann ich ja Segeln ohne Motor, Wind ist da, auch wenn es dann erheblich länger dauert.
Nach längerem Grübeln und ausprobieren, Gas geben, Gas wegnehmen tippe ich auf unsauberen Diesel und/oder einen verschmutzten Dieselfilter.
Dagegen kann ich jetzt wenig machen, außer den schlechten „Stoff“ mit gutem Stoff zu verdünnen.
Sobald es möglich ist, kippe ich also 10 Liter frischen Diesel aus dem Kanister in den Tank und dies nach ein paar Stunden noch einmal – und siehe da, nach ein paar sorgengeplagten Stunden läuft er wieder wie eine Eins.
Ich habe die Tankstelle im Hafen von Sa Rapita schwer in Verdacht – kam mir gleich irgendwie ungepflegt vor – aber wer kann es wissen?
Also, gerade im Mittelmeer sollte man sehr vorsichtig sein, mit den Quellen, aus denen man tankt – dort, wo viel durchläuft ist es gut (Autotankstellen, große Häfen), woanders – Vorsicht – wieder was gelernt.
 
Sonnenuntergang und angenehmes Segeln
 Allerdings ist es auch nicht mehr so schaukelig nach etwa 11 Stunden Fahrt, weil dann, gegen 17:00 Uhr der Wind auf Südwest dreht und wir noch einen versöhnlichen Restsegeltag erleben können, mit zunächst wenig Wind – ich lasse den Diesel laufen – dann mehr Wind – wir segeln – dann gar kein Wind, es wird gedieselt.
Ringsherum nur Horizont, ein paar Delfine kommen kurz vorbei.

Die Sonne ist weg, der Wind bleibt noch eine Weile




Das Motorproblem muss aber weiter untersucht werden und ich werde in Barcelona den Dieselfilter wechseln, zum ersten Mal seit 20 Jahren (peinlich – aber „never change a running system“ dachte ich).
Denn in den Kanälen kann ich mir keine Motorschwächeleien leisten.






Das Stichwort Barcelona ist gerade gefallen, ich habe mich entschieden, dorthin zu segeln, weil der Südwestwind uns gut dorthin treibt – eigentlich hatte ich überlegt, gleich weiter nördlich ans Festland zu kommen, aber 3 Gründe sprachen dann doch dagegen:
Andrea hatte gesagt, „fahr‘ doch nach Barcelona“ – und als folgsamer Ehemann tue ich das nu.
Außerdem ist die Windrichtung günstig und drittens werde ich ohnehin ein oder zwei Tage Pause einlegen müssen, um zu warten, bis sich das Wetter im Löwengolf beruhigt hat.
Und diese Pause ist in Barcelona am schönsten – und mit zu erledigenden Aufgaben gefüllt.
Ich werde den Motor vorbereiten, dann brauche ich das in Sète nicht mehr zu tun (Filterwechsel, Keilriemen spannen, Wellendichtung fetten, allgemeine Kontrolle, Öl – und Ölfilterwechsel).

Mallorca hat uns (Allegro und mich) also nach 11 Stunden und 55 Seemeilen doch endlich losgelassen,  Aioli hat uns günstigen Wind geschickt – ach nee, das ist der leckere Brotaufstrich, der zu den Tapas in Andratx serviert wurde – ich meine natürlich Aiolus, den Gott der Winde - Barcelona empfängt uns also freundlich mit günstigen Winden und einer schon von weit her sichtbaren Beleuchtung.
Die zweite Hälfte der Tour ist insgesamt damit als versöhnlich zu bewerten – die ersten 55 Meilen, naja, eher zum Abgewöhnen und dann 55 Meilen schöne Seefahrt – allerdings teilweise auch im Dunkeln.
Auch schön, dass der Wind endlich stetig ist und nicht an jeder Ecke die Richtung und Stärke ändert – oh Wunder, hier gibt’s ja keine Ecken.
Aber im Einzugsbereich der Insel – auch Dutzende Meilen weit entfernt - gab es immer noch diese Dreher und Windlöcher – merkwürdig.

Zunächst kann ich mir nicht erklären, warum es links (südlich) der Stadt so hell ist, sieht fast aus wie Sonnenuntergang, ist aber mitten in der Nacht, bis ich dann näher dran bin und erkenne, dass die Landebahnen des Flughafens alle in orangerot ausgeleuchtet sind – das strahlt mindestens 30 Meilen 
auf See.

 
Nachts im Cockpit, war da unten einer?
Irgendwelche Seezeichen (rote und grüne Lichter) sieht man nicht (oder nur schwer), weil die ganze Stadt funkelt – gut, dass mein Ipad mir den genauen Weg zeigt.
Eigentlich sieht man die Tonnen immer noch rechtzeitig, aber wenn man über mehrere Stunden auf das Lichtergefunkel starrt, möchte man irgendwann doch wissen, welche Lichter die Gesuchten sind – auch wenn bis zur Ankunft noch 3 oder 4 Stunden Zeit vergehen wird.




Um 22:00 Uhr war es stockdunkel, mit dem Flughafenfeuerschein voraus – noch 30 Meilen, etwa 6 Stunden.
Was tut man so, immer geradeaus, auf’s Licht zufahrend, das Herz nicht mehr in der Hose, sondern am richtigen Platz?
Man guckt so ´rum und erschrickt sich manchmal – zum Beispiel ist der Horizont auf der lichtabgewandten Seite sehr dunkel, wenn man da ohne besondere Absicht hinguckt, sieht es aus, als ob eine schwarze Wand auf das Boot zurollt – kurzer Schreck.
Das Schattenspiel in der Kajüte gaukelt mir vor, dass dort unten jemand herumläuft – ich bin aber noch nicht so müde, dass ich das wirklich glaube, aber man zuckt erst einmal.

Über andere Schiffe muss ich mich nicht erschrecken, in den fast 24 Stunden habe ich drei in der Nähe gesehen – ein Segler macht vorsichtshalber eine Stroboskoplampe an und fuhr als Blitzlichtgewitter durch die Nacht – ich hätte ihn ja übersehen können. Seine normalen Positionslaternen konnte man dadurch aber nicht mehr sehen – also eine eher zweifelhafte Maßnahme.

Um 4:00 Uhr (10.7.) laufe ich dann in den alten Olympiahafen von Barcelona ein – 118 Seemeilen im Kielwasser - gut das ich alles schon kenne, so weiß ich, dass ich vor der Capitainerie bequem festmachen kann und auf die Öffnungszeiten warten kann.

Olympiahafen Barcelona

10:00 Uhr steht an der Tür, also erst mal ein Nickerchen – alle Ängste sind vergessen (Wellen, Motor, fremde Menschen, die in der Kajüte umher tapern).
Um 8:30 Uhr höre ich Türengeklapper, nichts wie hin und blitzschnell eingecheckt, meine Daten sind ja schon vorhanden.
Um 9:00 Uhr habe ich meinen Liegeplatz „bezogen“ und haue mich erst einmal wieder in die Falle, bis mich mein knurrender Magen weckt.
Hinten die Capitainerie und irgendwo Allegro




Das Tagesprogramm ist geprägt von Nach- bzw. Vorbereitung.
Das Boot wird abgespült, die Salzkruste muss weg, es klebt alles. Der Skipper bekommt die gleiche Behandlung. Wäsche wird gewaschen – alles sauber für die nächsten Tage, Dieselfilter wird gewechselt (sah gar nicht so schlimm aus), Keilriemen gespannt, Maschine sauber gewischt und untersucht (nix gefunden) – Ölwechsel kommt dann morgen.




Strand gleich neben dem Hafen,zu beiden Seiten


Nach dem aktuellen Wetterbericht komme ich am Sonntag, Montag, Dienstag und Mittwoch gut über den Löwengolf, der Plan steht also – noch einen Tag Barcelona, dann auf in Richtung Sète – wo die Kanäle beginnen und wo der Mast wieder flachgelegt wird.
Zoom funktioniert, ab und zu ein Funktionstest muss sein.






Ich freue mich auf hoffentlich schöne Segeltage entlang der spanischen und französischen Küste in Richtung Norden – und dann auf die Kanäle (psssstt – dass die Segler das nicht hören – die Kanäle, meine heimliche Liebe).

Ach übrigens, hier in Barcelona ist es auch heiß – aber nicht so mörderisch wie auf der schönsten Insel der Welt (Originalton Inselradio) – jetzt, 19:30 Uhr, nur 30 Grad in der Kajüte, mit angenehmer Belüftung – na also –danke Aioli, äh Aiolus.