Donnerstag, 4. Juni 2015

„On y dance“ und der Palast der Päpste – Avignon, 50. Tag



Heute (4.6.) steht – bedingt durch meine unfreiwillige Gewalttour gestern – nur ein kurzer Trip von 30 Kilometern auf dem Programm, eine Schleuse.

Ich lasse mir etwas Zeit, gemütliches Frühstück, dann um 9:00 los.

Hier muss aber mal aufgeräumt werden.


Bei der Einfahrt in die Rhone aus dem Seitenarm von l´Ardoise, erkenne ich schon vom Weitem merkwürdige Geschehnisse auf dem großen Fluss.
Jede Menge Treibholz – wenn die Temperaturen um 9:30 Uhr nicht schon an der 30 Grad Marke kratzen würden, würde ich vermuten, in Alaska bei den Holzflößern zu sein.


Treibholz, ausgerechnet, wenn ich vorbei komme.

Einer von den Dicken.

Kleine Slalomfahrt - nicht schlimm.

Wahrscheinlich haben die Schleusenmeister weiter oben mal den ganzen Kram ablaufen lassen, der sich so vor einem Wehr staut, jede Menge Äste, Baumstämme und Kleinkram.

Einen neuen Dehler-Crash-Test will ich nicht versuchen, obwohl das ja die YACHT einst probiert hat erteilt hat und sogar Baumstämme zerteilt hat - mit der Dehler.





Ich fahre eine Weile Slalom – dann ist der Spuk vorbei und vor mir nur noch Wasser und Avignon.

Wollen die alles bis zum Mittelmeer treiben lassen – oder fischen die irgendwann einmal alles ab? Fragen über Fragen.




 

Da gehe ich auch mal ´rauf, "on y dance."
 
Um 12:00 Uhr passiere ich die berühmte Brücke, die keine mehr ist, weil sie nur noch zur Hälfte da ist. „Sur le pont d`Avignon, on y dance, on y dance …“.

Ich tanze da später, erst mal den Liegeplatz suchen.







Mindestens 7 Päpste haben hier "gewohnt", um 1300.



Wie beschrieben (stimmt mal wieder der Reiseführer) finde ich den „Hafen“ direkt am Kai unter dem Papstpalast.
Etwas laut, weil die Straße vorbeiführt, aber irgendwie mit Stil – einfach an der Mauer, hinter „Napoleon“, 3 Meter tief.






Wegen der Mauer braucht man Fender, hab ich, aber es gibt Strom, Dusche und alles ist umsonst – hier bleibe ich auch Morgen und werde die Kultur der Stadt aufsaugen  - und ein paar kühle Drinks.

Internet ist allerdings etwas schwach, um die Fotos hochzuladen muss ich in die Capitainerie, das WLAN dort ist ok.

Napoleon vor mir, wenn das kein gutes Omen ist

Eine Stunde nach mir kommen Ralf und Anita mit ihrem schmucken Boot an, ich hatte sie unterwegs schon an einer Liegestelle liegen sehen.
Sie haben gestern ebenfalls auf die falschen Häfen gesetzt und müssten die Nacht vor der Schleuse Bolléne verbringen, wie sie mir beim Anlegen erzählen.






Wir helfen dann gemeinsam (zu Dritt!) einem französischen Paar, ihr schweres Motorboot an die Kaimauer zu legen, wohlgemerkt mit Busstrahlruder und allem, was es für Geld zu kaufen gibt – und drei hilfsbereiten Leuten am Kai.
Ein Führerschein stand wohl nicht auf der Kaufliste, denn der arme Skipper beherrscht die 12-Meteryacht überhaupt nicht und versenkt beim dritten Anlauf ein Beiboot eines deutschsprechenden Seglers (mit Frau, Nationalität nicht erkennbar, äähh die Frau wurde nicht versenkt, nur das Beiboot).

Großes Gezeter, Palaver – wie es ausgegangen ist, weiß ich nicht.
Aber weiter vorne wäre wesentlich mehr Platz gewesen, oder vorher üben, oder einen Kurs machen, oder einen Führerschein oder nicht dauernd Vor und Zurück verwechseln und das Bugstrahlruder falsch einsetzen – eigentlich tun sie mir ein bisschen leid, die beiden Franzosen.
Naaa? Da kann man doch nicht meckern ...



Jetzt steht Schatten im Cockpit auf dem Programm, Stadtbesichtigung – auch morgen, deshalb gibt es auch morgen keinen Blogbeitrag, ich verweise auf Wikipedia  – und dann kommt die letzte größere Schleuse vor dem Mittelmeer (ein oder zwei Kleine kommen dann noch vor Séte).

Der große Fluss und das kleine Boot, 49. Tag



Zwei gute Nachrichten und eine schlechte.
Erst die Schlechte, ich habe mein Tagesziel wieder nicht erreicht, jetzt die Gute – ich bin viel weiter gekommen als geplant und die zweite Gute, der Hafen ist urig und irgendwie Klasse.
Aber der Reihe nach.
 
Burgen, auf einer nächsten Reise, ohne Boot per Wohnmobil,
werde ich die ein oder andere besichtigen
Die Rhone wird breiter, das Wetter immer heiter,
das GPS sieht weiter.
Aus Valance bin ich ´rausgekommen, am 3.6., gerade so.
Die Hafenmeister haben (vielleicht extra für mich) Pricken gesetzt, um die tiefsten Stellen zu markieren, ´n bisschen habe ich den Rhonegrund aber doch abgehobelt, mit einem Schub Gas ging´s dann aber und sofort danach waren wir auf 5 Meter Tiefe.
Die Rhone schwemmt anscheinend einen richtigen Sockel vor die Häfen – so als wollte sie nicht, das kleine Boote wie Allegro sich aus ihrem Einflussbereich in die Häfen verziehen.



Die Rhone, der große Fluss und das unbekannte Wesen. Über die Strömung habe ich ja schon mal geschrieben, dazu muss ich nach den 4 Tagen, die ich jetzt auf der Rhone unterwegs bin auch nichts ändern. Strömung zwischen 1 und 2,5 Knoten, dort wo die Rhone sehr breit ist (ist klar) weniger, am flacheren Rand noch weniger (auch klar), in den langweiligen Schleusenkanälen und besonders vor einem Wehr (also bei den Schleusen), dann mehr Strömung und manchmal ohne erkennbaren Grund mehr Strömung, wahrscheinlich einfach mehr Gefälle.


Die Grund der Rhone scheint ohnehin ziemlich uneben zu sein, man merkt das an den Stromwirbeln, die oft zu sehen sind und am Ruder ruckeln – aber kein Problem, fällt nur auf.
Zu beobachten gibt es unterwegs ja nicht mehr so viel – einfach alles zu weit weg, ab und zu ein paar schöne alte Schlösser oder Burgen, die Reiher sind auch nicht mehr da.
Sie wurden abgelöst durch Möwen – das Meer kommt näher – und jede Menge Schwäne.
Seit heute, also südlich von Valence, sehe ich auch keine Weinberge mehr, die Ufer sind felsig oder bewaldet, ganz andere Landschaft als nördlich von Valence.
 
Bolléne, die Größte ever.



Die Schleusen auf der Rhone haben alle Schwimmpoller und die Schleusenwärter haben es gerne, wenn man an einem (zwei sind gar nicht zu erreichen, zu weit auseinander) mit der Vorleine und der Heckleine festmacht. Also gut, mache ich auch und dirigiere das Boot vom Cockpit aus, Vorleine durch die Bugklampe und dann auf der Winsch, Heckleine durch die Heckklampe und aus der Hand.
Geht gut.




Aufgeregt? Come on!

23 oder 26 Meter tiefer, in ein paar Minuten.

Da komm´ ich her.

Immer wenn ich auf die Schleuse zufahre, springt die Ampel auf Rot-Grün, also Vorbereitung, dann muss man manchmal eine Weile warten, weil noch einer von hinten kommt oder auf einen Bergfahrer gewartet wird – ich habe aber nie mehr als eine halbe Stunde gewartet.
Funken lohnt sich für mich nicht, weil ich die Antworten ohnehin nicht verstehe. Die Schleusenwärter sprechen schnell und undeutlich – für mich jedenfalls.



Geplant sind heute 3 Schleusen mit insgesamt etwa 45 Meter, (13, 13 und 19).

Was noch am großen Fluss auffällt, sind die vielen Baumstämme und Äste, die hier teilweise ´rumschwimmen – man muss schon nach vorne gucken, sie sind leicht zu sehen, aber darüberfahren könnte doch ganz schön rumpeln, das muss ja nicht sein.




Eine Schlucht - Namen vergessen, mehr Trinken!

Oben wohnt der Hafenmeister - oder?


Insgesamt bietet die Rhone also doch einiges an Unterhaltung, wenn auch heute die langweiligsten 10 Kilometer der ganzen Reise absolviert wurden – ein Schleusenkanal mit betonierten Wällen, schnurgerade, keine Felsen, keine Burgen, keine Weinberge, keine Tieren, nicht mal Baumstämme im Wasser.




 


Dagegen war der Elbeseitenkanal der reinste Erlebnispark – aber auch diese Stelle geht vorüber (nach etwa 50 Minuten, bei 7 Knoten) – es kam aber nochmal so ein Abschnitt, hat den ersten aber an Langeweile nicht ganz erreicht.






Die Rhone wird anscheinend genutzt, um für ganz Frankreich Strom zu produzieren. Einerseits ist jede Schleuse mit einem Kraftwerk gekoppelt, das die Strömung in Strom umwandelt, andererseits bin ich heute schon am dritten Atomkraftwerk vorbeigeschippert, das das Rhonewasser wohl als Kühlwasser nutzt.
 
Atome schwirren durch die Luft und landen in der Steckdose.
Das Größte, schnell weiter, obwohl das wenig nützt ...
Ein bisschen der erzeugten Energie scheint auf mich übergesprungen zu sein, den eigentlich wollte ich „nur“ bis Viviers, ein Hafen 52 Kilometer südlich von Valence.
Welche Überraschung die Rhone doch immer auf Lager hat, jedenfalls gab es den Hafen nicht mehr, nur ein verschlammtes, viel zu flaches Becken. Also weiter zu einem Anleger, weitere 40 Kilometer entfernt – zweite Überraschung, auch der Anleger in St. Etienne-des-Sorts existiert nicht mehr.



Dazwischen habe ich die größte Schleuse der Rhone passiert, Bollène, mit 23 oder 26 Metern (die Quellen widersprechen sich). Sie soll einmal die größte Schleuse europas gewesen sein, war auch wirklich beeindruckend und schnell!
Es ging fast wie im Fahrstuhl nach unten, ein besonders Ablaufsystem soll das ermöglichen, angeblich ist man in 7 Minuten einmal von oben nach unten und wieder zurück (wenn man ´drinbleiben würde), ´runter ging es jedenfalls sehr schnell.


 
Abendstimmung, Zeit für den Hafen.





Zurück zu den nicht existierenden Häfen, ich bin einfach weiter gefahren, mit der Aussicht zur Not vor einer Schleuse am Wartepoller zu übernachten oder irgendwo zu ankern – oder doch noch einen Hafen zu finden.
Und das habe ich – in l´ Ardoise, einen Nebenarm der Rhone 5 Kilometer bergauf –also zurück – wurde ich fündig.





Hafen von l´Ardoise in Sicht.

Hat sich gelohnt, nach 102 Kilometern, bin ich kurz vor 20:00 Uhr im Hafen.
Urig hier, die Hafenmeisterin wohnt in einem schwimmenden Container (so eine Art jedenfalls) und betreibt in einem anderen, mit schwimmender Terrasse, ein Restaurant.
Dusche im Restaurant (witzig, die Gäste konnten nicht auf Toilette, während ich den Schweiß des langen Tages abgeschrubbt habe), Strom, Wasser und sehr gutes Internet.

Zum Bloggen war ich allerdings zu müde, es reichte gerade noch, ein kaltes Bier zu trinken, dabei Handball auf Sport1 zu gucken (THW ist fast Meister) und dann ins Bett zu fallen.
 Diesen Hafen merke ich mir schon mal für die Rückfahrt, denn dieser Abschnitt der Rhone ist eine ziemlich Durststrecke, was Anlegemöglichkeiten angeht und den Trinkwasserverbrauch auch (4 Liter mindestens).

Breit und sicher, der Niedergang.


Und das alles auf dem kleine Boot Allegro, auf der großen Rhone.

Wenn ich so dahin tuckere freue ich mich immer wieder über mein Schiff, das zwar nicht dem allerneusten designtechnischen Standard entspricht, aber doch viele Dinge zu bieten hat, die die Firma Dehler in guter Qualität zu einem wirklich ausgereiften Produkt vereint hat.



 
Mein "Arbeitsplatz" seit 6 Wochen
Wobei das Wort Produkt es überhaupt nicht trifft, denn man baut auf so einer Reise und auch schon davor ein fast persönliches Verhältnis zu dieser Ansammlung von Plastik, Tauwerk, Aluminium und technischen Geräten auf – man mag sein Boot einfach.
Ich mag den breiten sicheren Niedergang, die gemütliche Kajüte mit sinnvollen Einbauten, wie Kartentisch, Pantry und genügend Stauraum. 




Alles mit Sinn, ausgereift eben.


Ich mag „meine“ Achterkoje, die ich durch ein nachträglich eingebautes Heckfenster zu einer kuscheligen Höhle aufgewertet habe.
Ich mag das große Cockpit, den Traveller, der wie viele Details, auch das Seglerische nicht zu kurz kommen lässt und ich mag das Bimini (auch wenn es etwas flatterig aussieht) und die Ankerhalterung am Heckkorb und und und…





Ein Boot, das ich jederzeit wieder kaufen würde – es macht einfach Spaß und ist (für mich auch immer wieder) eine Augenweide.
Natürlich mit stehendem Mast und guten Segeln noch viel mehr.
 
Bimini aus dem Internet, billig, schief und gut.
Feintrimm kommt später,wenn der mast steht.


Bis dahin wird es nicht mehr allzu lange dauern, morgen nach Avignon und dann (nach einer Besichtigungspause von einem Tag) weiter nach Sete (schätze in 2 Tagen, oder 3, zu schaffen).






Die Fender ertragen klaglos Schleusen, Mauern, Stege ...




Zum Schluss noch die dritte gute Nachricht: mein GPS ist seit 2 Tagen nicht mehr ausgefallen.
Es waren wohl doch die engen Kanäle mit Abschattungen durch Bäume, Felsen und so weiter, die das Gerät durcheinander gebracht haben – oder der große Fluss hat noch andere Überraschungen auf Lager, von denen ich und das kleine Boot nichts ahnen.