Sonntag, 19. Juli 2015

Die kleine Rhone, die große Rhone, der Fahrtwind, ... und Blog aktuell halten, 94. und 95. Tag



Wieder so früh aufstehen – muss das sein?
Ja, es muss sagt der gestrenge Skipper, die Mannschaft wird um 5:30 Uhr, am 18.7., aus der Koje getrommelt, schnelle Katzenwäsche (Dusche war gestern und wird außerdem überbewertet), etwas mehr Zeit wird der Crew für das Frühstück mit Kaffee und Müsli gegönnt – und um 6:45 Uhr Leinen los und hinaus auf’s Meer – ach, die Zeiten sind ja erst mal vorbei – also hinaus auf den Kanal.
 
Morgenstimmung in St. Gilles, mit Fledermäusen, leider fotoscheu.
Morgens ist es am Schönsten.
Alles wirkt frisch, die Temperaturen sind angenehm, 23 Grad, und das Licht hat etwas ganz Besonderes.

Vor dem Frühstück noch zu berichten von einem kleinen Naturerlebnis. Im Morgengrauen, so kurz vor 6:00 Uhr, flatterte es wie wild um das Boot herum, aber völlig lautlos. Dutzende von kleinen, schwalbengroßen Fledermäusen kamen wohl von der nächtlichen Jagd zurück, es war jedenfalls toll anzusehen – mit der aufgehenden Sonne waren dann alle weg und die Schwalben kamen wieder. Die waren nicht lautlos, sondern zwitscherten beim Fliegen.

Fantastische Natur, allein unterwegs im "Märchenwald"



Ob wegen der Fledermäuse hier im Hafen von St. Gilles, mitten im Mückenparadies (wie man immer wieder liest) keine Mücken waren?
Vielleicht – jedenfalls brauchte ich nicht enttäuscht zu sein, dass ich mein neues Antimückengerät mangels 220 Volt nicht zum Einsatz bringen konnte, hatte ich mir extra in Sète besorgt (gibt’s hier in jedem Supermarkt) – die Fledermäuse und die Schwalben haben die Sache im Griff.





Oder doch "wrong turn"?
Für einige Boote ist hier Endstation.

Durch den Urwald ...

Der kommt auch nicht mehr weg von hier ...



Die ersten 6 Kilometer bis zur Schleuse St. Gilles sind wunderschön, tolles Licht, tolle Natur, noch kein Lärm von den Zikaden.
Nur die frühen Angler stressen ein wenig, denn sie rechnen so früh noch nicht mit Booten und haben ihre Leinen quer über den Kanal gelegt. Immer wenn ich ankomme, hektische Aktivität, Leine einziehen, erstaunt gucken. 






Ich nehme dann immer den Gang ´raus, damit ich mir keine Schnur einfange, außerdem habe ich keine Lust einen oder mehrere Angler an ihrer Angel bis Avignon hinterher zuziehen.








Denn die Stadt der Päpste ist mein heutiges Ziel, knapp 65 Kilometer entfernt, die kleine und die große Rhone aufwärts, also Strom von vorne.
Erste Brücke in der Petit Rhone, immer noch niemand unterwegs

.... doch ein blinder Passagier


Bin gespannt, wie das funktioniert, habe ja die schlimmsten Befürchtungen gehört bis zu Ratschlägen, das Boot zu verladen und nach der Rhone wieder ins Wasser zu setzen.









Doch zunächst die erste Schleuse – St. Gilles – zum Üben ganz gut – ob ich es noch kann?
Ich komme an, die Schleuse geht auf – so soll es sein.
Ein paar Minuten später fahre ich an der anderen Seite wieder heraus – ich weiß nicht einmal, ob wir bergauf (montant) oder bergab (avalant) geschleust wurden – so wenig Hub, höchstens 5 Zentimeter.
Wie gesagt, zum Üben.


In der Petit Rhone geht das Naturerlebnis dann weiter, unberührte Natur links und rechts, mir begegnet die ganzen 23 Kilometer niemand. Aufpassen muss man trotzdem, denn links und rechts neben dem betonnten Fahrwasser gucken fiese alte Holzpfosten und Spundwandreste aus dem Wasser, ab und zu ein umgekippter und abgesunkender Baum – Fahrrinne nicht verlassen, nicht zu sehr träumen, aufpassen.
Die Strömung? Ach ja, nix, Entwarnung. Höchstens mal ein Knoten von vorne, wir tuckern gemütlich mit 4 -5 Knoten dahin, bei 1800 U/min.
 
Die Rhone, majestätisch und ziemlich ruhig dahinfließend

Strömung? Ja, aber gut beherrschbar - so etwa 1 - 2 Knoten

Mal sehen, ob es in der großen Rhone so weitergeht.
Gegen 10:30 Uhr biegen wir leicht links ab, ab jetzt nicht mehr nach Osten (Sonne hat auch ziemlich geblendet) sondern fast genau nach Norden.
Die Rhone ist ein breiter Fluss, der ganz harmlos aussieht – und wie ich erfreut feststelle, zumindest heute auch ganz harmlos ist.
An manchen Stellen höchstens mal knapp 2 Knoten Gegenstrom, überhaupt kein Problem, mit 2000 U/min fahren wir problemlos mindestens 4 Knoten, manchmal mehr.

Von der Herfahrt habe ich mir in der Karte notiert, wo die Strömung am stärksten war (das waren wir am Schnellsten) – die Stellen kommen noch, zwischen Tarascon und Beaucaire, vor der Schleuse Beaucaire.
Bis dorthin sind es noch 15 Kilometer.

Einsame, große Rhone. Mir begegnet niemand, mich überholt niemand, bis kurz vor der Schleuse, die uns amtliche 15 Meter nach oben befördern wird. Es ist ein Frachter, der irgendwo im Gewerbegebiet von Tarascon verschwindet.

Vor der Schleuse geht die Fahrt wirklich kurz auf 3,8 Knoten herunter, ich konnte natürlich etwas mehr Gas geben – mache ich aber nicht- aus Prinzip.
Marschfahrt ist Marschfahrt sagt der Kapitän und der Maschinist nickt, die Passagiere erkennen die Autorität an, nur der Koch muffelt etwas, er will in den Hafen und was zu essen machen.
Alle anderen in der Mannschaft sind froh, wenn wir fahren, denn der Fahrtwind macht das Ganze erträglich.
Sobald in einer Flussbiegung mal der Wind von hinten kommt, also den Fahrtwind aufhebt, schlagen die geschätzten 40 Grad voll durch – auch in der Schleuse, wenn man aus dem Schatten herausgehoben wird und noch kein Wind zu spüren ist – hot hot hot.
Also Fahrt ins Schiff – auch wegen der Abkühlung.

Die Schleuse wird routiniert absolviert, ein Mitarbeiter der Kanalverwaltung kommt zum Boot als wir oben sind und nimmt die Daten auf, Allegro und ich sind wieder im System.
Nach der ersten und heute einzigen Rhone-Schleuse nimmt die Strömung noch mehr ab, wir fahren konstant und problemlos 5 Knoten und mehr – alle oben genannten Bootsinsassen sind zufrieden und hoffen, dass es die nächsten 120 Rhonekilometer so weitergeht.

Um kurz vor 15:00 Uhr kommt der Papstpalast von Avignon in Sicht, um 15:30 Uhr haben wir im Päckchen (voll hier) an einem größeren Segelboot aus Horsens (Dänemark) festgemacht.
Man versteht sich, schließlich sind wir fast Nachbarn an der Ostsee und Flensburg ist in Dänemark generell eine beliebte Stadt.
Wegen Einkaufsmöglichkeiten oder wegen der halben dänischen Nationalmannschaft, die bei der SG Handball spielt?
Wahrscheinlich wegen beidem.
Die Dänen wollen auch nach Norden, müssen aber wegen des größeren Tiefganges einen anderen Weg fahren – aber irgendwann kommen sie auch in Lübeck wieder heraus.

Tja, eine wichtige Etappe geschafft, Avignon ist es wert, einen Tag Pause zu machen, zumal für morgen Gewitter angesagt ist.

Nach meinen (nicht empirisch belegten) Unterlagen, habe ich die Stelle mit der stärksten Strömung schon hinter mir – ich kann mich aber auch täuschen, wenn die Schleusen bzw. die Kraftwerke mal ihre Pforten ein bisschen weiter aufmachen.
Aber nach den Erfahrungen heute – come on – es sind noch Reserven da, entweder langsamer (wäre auch nicht schlimm) oder mehr Drehzahl, geht auch.

Morgen also ein Tag Avignon, ich mag die Stadt sehr (Palma, Barcelona, Sète, Avignon) – ich mag sie alle.
Danach kommt dann eine etwas schwierige Etappe, weil auf einer langen Strecke kein vernünftiger Hafen zu finden ist.
Ich werde also (wenn die fehlenden Anlegemöglichkeiten nicht inzwischen reaktiviert sind), eine Nacht im Niemandsland zubringen, irgendwo anlegen, wo weiß ich noch nicht, keine Elektrizität, kein Internet, kein Wasser – aber durch diese Durststrecke muss ich durch, dann kommen mit les-Roches-de-Condrieu und letztlich mit Lyon wieder erstklassige Häfen.

Jetzt will der Koch aber endlich den Platz zum Zubereiten des Abendbrotes haben – soll er.

- Einen Tag später … -

Hallo, guten Morgen, heute ist der 19.7., nach einer erholsamen Nacht (nicht ganz so heiß) sitze ich jetzt in der Capitainerie vor meinem PC und aktualisiere den Blog, das heißt, ich bin dabei, die fehlenden Bilder vom vorletzten und vorvorletzten Blog (13.7. und 14.7) hochzuladen.
An Bord habe ich leider kein ausreichendes Internet, die Kneipe oder wer auch immer, die mir im Juni so einen schönen Zugang gegeben hatte, ist anscheinend offline.

Was hat sich sonst noch in Avignon geändert, in der jetzigen Hochsaison?

Nun, es kostet jetzt etwas, allerdings mit 32 Euro für 2 Tage voll in Ordnung – aber im Juni war alles noch umsonst.
Mein weiteres Programm für heute:
Dieselkanister auffüllen, Stadtbummel, und Planung für morgen – denn morgen früh geht es weiter.

Meine dänischen Nachbarn werden ebenfalls morgen früh aufbrechen, ein Teil mit dem Auto – nach 2 Wochen Urlaub in der Gegend – die anderen mit dem Boot, das später in Arhus als Wohnschiff dienen soll.
Vielleicht sehe ich es ja da einmal wieder.
Mit dem Auto sind es nach Hause in den Norden etwa 2 Tage – soll ich mit?

Ach was, der Weg ist das Ziel und die restlichen 1000 Meilen werde ich auch noch genießen.

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