Wieder so früh aufstehen – muss das sein?
Ja, es muss sagt der gestrenge Skipper, die Mannschaft wird um 5:30
Uhr, am 18.7., aus der Koje getrommelt, schnelle Katzenwäsche (Dusche war
gestern und wird außerdem überbewertet), etwas mehr Zeit wird der Crew für das
Frühstück mit Kaffee und Müsli gegönnt – und um 6:45 Uhr Leinen los und hinaus
auf’s Meer – ach, die Zeiten sind ja erst mal vorbei – also hinaus auf den
Kanal.
Morgens ist es am Schönsten.
Alles wirkt frisch, die Temperaturen sind angenehm, 23 Grad, und das
Licht hat etwas ganz Besonderes.
Vor dem Frühstück noch zu berichten von einem kleinen Naturerlebnis. Im
Morgengrauen, so kurz vor 6:00 Uhr, flatterte es wie wild um das Boot herum,
aber völlig lautlos. Dutzende von kleinen, schwalbengroßen Fledermäusen kamen
wohl von der nächtlichen Jagd zurück, es war jedenfalls toll anzusehen – mit
der aufgehenden Sonne waren dann alle weg und die Schwalben kamen wieder. Die
waren nicht lautlos, sondern zwitscherten beim Fliegen.
Ob wegen der Fledermäuse hier im Hafen von St. Gilles, mitten im
Mückenparadies (wie man immer wieder liest) keine Mücken waren?
Vielleicht – jedenfalls brauchte ich nicht enttäuscht zu sein, dass ich
mein neues Antimückengerät mangels 220 Volt nicht zum Einsatz bringen konnte,
hatte ich mir extra in Sète besorgt (gibt’s hier in jedem Supermarkt) – die
Fledermäuse und die Schwalben haben die Sache im Griff.
Durch den Urwald ... |
Der kommt auch nicht mehr weg von hier ... |
Die ersten 6 Kilometer bis zur Schleuse St. Gilles sind wunderschön,
tolles Licht, tolle Natur, noch kein Lärm von den Zikaden.
Nur die frühen Angler stressen ein wenig, denn sie rechnen so früh noch
nicht mit Booten und haben ihre Leinen quer über den Kanal gelegt. Immer wenn
ich ankomme, hektische Aktivität, Leine einziehen, erstaunt gucken.
Ich nehme dann immer den Gang ´raus, damit ich mir keine Schnur
einfange, außerdem habe ich keine Lust einen oder mehrere Angler an ihrer Angel
bis Avignon hinterher zuziehen.
Denn die Stadt der Päpste ist mein heutiges Ziel, knapp 65 Kilometer
entfernt, die kleine und die große Rhone aufwärts, also Strom von vorne.
Erste Brücke in der Petit Rhone, immer noch niemand unterwegs |
.... doch ein blinder Passagier |
Bin gespannt, wie das funktioniert, habe ja die schlimmsten
Befürchtungen gehört bis zu Ratschlägen, das Boot zu verladen und nach der
Rhone wieder ins Wasser zu setzen.
Doch zunächst die erste Schleuse – St. Gilles – zum Üben ganz gut – ob
ich es noch kann?
Ich komme an, die Schleuse geht auf – so soll es sein.
Ein paar Minuten später fahre ich an der anderen Seite wieder heraus –
ich weiß nicht einmal, ob wir bergauf (montant) oder bergab (avalant)
geschleust wurden – so wenig Hub, höchstens 5 Zentimeter.
Wie gesagt, zum Üben.
In der Petit Rhone geht das Naturerlebnis dann weiter, unberührte Natur
links und rechts, mir begegnet die ganzen 23 Kilometer niemand. Aufpassen muss
man trotzdem, denn links und rechts neben dem betonnten Fahrwasser gucken fiese
alte Holzpfosten und Spundwandreste aus dem Wasser, ab und zu ein umgekippter
und abgesunkender Baum – Fahrrinne nicht verlassen, nicht zu sehr träumen,
aufpassen.
Die Strömung? Ach ja, nix, Entwarnung. Höchstens mal ein Knoten von
vorne, wir tuckern gemütlich mit 4 -5 Knoten dahin, bei 1800 U/min.
Strömung? Ja, aber gut beherrschbar - so etwa 1 - 2 Knoten |
Mal sehen, ob es in der großen Rhone so weitergeht.
Gegen 10:30 Uhr biegen wir leicht links ab, ab jetzt nicht mehr nach
Osten (Sonne hat auch ziemlich geblendet) sondern fast genau nach Norden.
Die Rhone ist ein breiter Fluss, der ganz harmlos aussieht – und wie
ich erfreut feststelle, zumindest heute auch ganz harmlos ist.
An manchen Stellen höchstens mal knapp 2 Knoten Gegenstrom, überhaupt
kein Problem, mit 2000 U/min fahren wir problemlos mindestens 4 Knoten,
manchmal mehr.
Von der Herfahrt habe ich mir in der Karte notiert, wo die Strömung am
stärksten war (das waren wir am Schnellsten) – die Stellen kommen noch,
zwischen Tarascon und Beaucaire, vor der Schleuse Beaucaire.
Bis dorthin sind es noch 15 Kilometer.
Einsame, große Rhone. Mir begegnet niemand, mich überholt niemand, bis
kurz vor der Schleuse, die uns amtliche 15 Meter nach oben befördern wird. Es
ist ein Frachter, der irgendwo im Gewerbegebiet von Tarascon verschwindet.
Vor der Schleuse geht die Fahrt wirklich kurz auf 3,8 Knoten herunter,
ich konnte natürlich etwas mehr Gas geben – mache ich aber nicht- aus Prinzip.
Marschfahrt ist Marschfahrt sagt der Kapitän und der Maschinist nickt,
die Passagiere erkennen die Autorität an, nur der Koch muffelt etwas, er will
in den Hafen und was zu essen machen.
Alle anderen in der Mannschaft sind froh, wenn wir fahren, denn der
Fahrtwind macht das Ganze erträglich.
Sobald in einer Flussbiegung mal der Wind von hinten kommt, also den
Fahrtwind aufhebt, schlagen die geschätzten 40 Grad voll durch – auch in der
Schleuse, wenn man aus dem Schatten herausgehoben wird und noch kein Wind zu
spüren ist – hot hot hot.
Also Fahrt ins Schiff – auch wegen der Abkühlung.
Also Fahrt ins Schiff – auch wegen der Abkühlung.
Die Schleuse wird routiniert absolviert, ein Mitarbeiter der
Kanalverwaltung kommt zum Boot als wir oben sind und nimmt die Daten auf,
Allegro und ich sind wieder im System.
Nach der ersten und heute einzigen Rhone-Schleuse nimmt die Strömung
noch mehr ab, wir fahren konstant und problemlos 5 Knoten und mehr – alle oben
genannten Bootsinsassen sind zufrieden und hoffen, dass es die nächsten 120
Rhonekilometer so weitergeht.
Um kurz vor 15:00 Uhr kommt der Papstpalast von Avignon in Sicht, um
15:30 Uhr haben wir im Päckchen (voll hier) an einem größeren Segelboot aus
Horsens (Dänemark) festgemacht.
Man versteht sich, schließlich sind wir fast Nachbarn an der Ostsee und
Flensburg ist in Dänemark generell eine beliebte Stadt.
Wegen Einkaufsmöglichkeiten oder wegen der halben dänischen
Nationalmannschaft, die bei der SG Handball spielt?
Wahrscheinlich wegen beidem.
Die Dänen wollen auch nach Norden, müssen aber wegen des größeren
Tiefganges einen anderen Weg fahren – aber irgendwann kommen sie auch in Lübeck
wieder heraus.
Tja, eine wichtige Etappe geschafft, Avignon ist es wert, einen Tag
Pause zu machen, zumal für morgen Gewitter angesagt ist.
Nach meinen (nicht empirisch belegten) Unterlagen, habe ich die Stelle
mit der stärksten Strömung schon hinter mir – ich kann mich aber auch täuschen,
wenn die Schleusen bzw. die Kraftwerke mal ihre Pforten ein bisschen weiter
aufmachen.
Aber nach den Erfahrungen heute – come on – es sind noch Reserven da,
entweder langsamer (wäre auch nicht schlimm) oder mehr Drehzahl, geht auch.
Morgen also ein Tag Avignon, ich mag die Stadt sehr (Palma, Barcelona,
Sète, Avignon) – ich mag sie alle.
Danach kommt dann eine etwas schwierige Etappe, weil auf einer langen
Strecke kein vernünftiger Hafen zu finden ist.
Ich werde also (wenn die fehlenden Anlegemöglichkeiten nicht inzwischen
reaktiviert sind), eine Nacht im Niemandsland zubringen, irgendwo anlegen, wo
weiß ich noch nicht, keine Elektrizität, kein Internet, kein Wasser – aber
durch diese Durststrecke muss ich durch, dann kommen mit les-Roches-de-Condrieu
und letztlich mit Lyon wieder erstklassige Häfen.
Jetzt will der Koch aber endlich den Platz zum Zubereiten des
Abendbrotes haben – soll er.
- Einen Tag später … -
- Einen Tag später … -
Hallo, guten Morgen, heute ist der 19.7., nach einer erholsamen Nacht
(nicht ganz so heiß) sitze ich jetzt in der Capitainerie vor meinem PC und
aktualisiere den Blog, das heißt, ich bin dabei, die fehlenden Bilder vom
vorletzten und vorvorletzten Blog (13.7. und 14.7) hochzuladen.
An Bord habe ich leider kein ausreichendes Internet, die Kneipe oder
wer auch immer, die mir im Juni so einen schönen Zugang gegeben hatte, ist
anscheinend offline.
Was hat sich sonst noch in Avignon geändert, in der jetzigen
Hochsaison?
Nun, es kostet jetzt etwas, allerdings mit 32 Euro für 2 Tage voll in
Ordnung – aber im Juni war alles noch umsonst.
Mein weiteres Programm für heute:
Dieselkanister auffüllen, Stadtbummel, und Planung für morgen – denn morgen
früh geht es weiter.
Meine dänischen Nachbarn werden ebenfalls morgen früh aufbrechen, ein
Teil mit dem Auto – nach 2 Wochen Urlaub in der Gegend – die anderen mit dem
Boot, das später in Arhus als Wohnschiff dienen soll.
Vielleicht sehe ich es ja da einmal wieder.
Mit dem Auto sind es nach Hause in den Norden etwa 2 Tage – soll ich
mit?
Ach was, der Weg ist das Ziel und die restlichen 1000 Meilen werde ich
auch noch genießen.
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