Montag, 27. Juli 2015

Ungebetener Besuch und schnelle Fahrt nach St. Jean de Losne und ein gelöstes Problem, 104. Tag



Heute (27.7.) heißt es wieder (eigentlich wie immer, aber bald geht es ruhiger zu) früh aufstehen.
Um kurz vor 6:00 Uhr nehme ich den letzten Schluck Kaffee, als ich plötzlich über mir leise Schritte an Deck höre.
Wir liegen längsseits am Steg, es ist also leicht herüberzusteigen.
In 0,3 Sekunden bin ich an Deck und stehe einem kleinen Junkie – so sieht er jedenfalls aus – gegenüber, der sich an meinem Solarpanel zu schaffen macht.
Er ist erschrockener als ich, besonders, als ich ihn mit den geflügelten Worten „Was machst Du da, verschwinde du Arsch“ anblaffe.
Er hat einen Ring durch die Nase, wilde ungepflegte Haare und zerrissene Klamotten, also entweder Junkie oder Trendsetter – ich tippe auf Junkie.
 
Das Objekt der Begierde
Er murmelt etwas von „Je cherche David…“, was mich wiederum etwas heiterer stimmt, denn ich weiß genau, dass David (mein großer Sohn) zuhause in Flensburg ist und Literatur für seine Bachelorarbeit zusammenstellt.
Trotzdem, ich mache einen Schritt auf den kleinen Junkie zu (ich bin wirklich viel größer und stärker) und schon macht er sich auf leisen Sohlen davon.





Geladen ins Morgenrot, wirkt besänftigend

 
Ich bin geladen und werfe ihm noch ein „Va t’en, allez“ hinterher, noch ein paar Augenblicke mehr und ich hätte ihn verdroschen – mit Wonne – jetzt ist er allerdings weg und muss irgendwie wieder von der eigentlich abgeschlossenen Steganlage herunterkommen – ich trinke meine Kaffee aus und werfe den Motor an.
Der schöne Tag lässt meinen Zorn verrauchen

Schöne saone, auch noch windgeschützt -
wer kann da noch negative Gedanken haben?


Bin immer noch geladen, als ich auf die Saone hinausfahre.
Beim Stichwort „geladen“ fällt mir ein, dass ich von einem neuen Problem berichten muss.
Gestern Abend bei der Sichtkontrolle  des Motors habe ich einen kleinen Stecker gefunden, viel mehr zwei ineinandersteckende, mit Kabelresten an beiden Enden.
Das ist nicht gut.





Ich entdecke schnell, dass ein Kabel an der Lichtmaschine gebrochen ist, es wird geflickt und gut ist? Nein, es hängt noch ein anderes Kabel herum – auch an der Lichtmaschine – dem ich keinen Anschluss zuordnen kann.
Ich habe dann mit Wikipedia und sonstigen Quellen versucht herauszufinden, um was für ein Kabel es sich handelt, Ergebnis: Kabel 61 (steht auch ´dran).
 
Wohin mit dem Kabel?
Was macht das Kabel? Es stellt die Verbindung zwischen Regler und Lichtmaschine her, so dass die Verbraucherbatterien bei Motorfahrt von der Lichtmaschine geladen werden können.
Aha, mir war schon seit längerem aufgefallen, dass die Lichtmaschine die Batterien nicht so richtig lädt, aber da ich meistens Landstrom hatte oder im Mittelmeer ausreichend Solarstrom, ist mir das nicht so aufgefallen. Ich dachte, der Regler ist eben kein Hochleistungsregler und das langt auch so.


Jetzt, erst durch das baumelnde Kabel, weiß ich, dass die Lichtmaschine die Verbraucherbatterien wahrscheinlich schon lange nicht mehr geladen hat, nach einem Tag Motorfahrt waren sie zwar längst nicht leer, aber auch nicht mehr so voll, wie eigentlich zu erwarten war.

Also, kein Beinbruch, es geht auch ohne, aber ich werde in St. Jean de Losne doch einmal einen Techniker fragen, wo das Kabel denn nun angeschlossen werden muss – ich habe zwar eine Vermutung (nach Brainstorming auf der Fahrt hierher), aber bin mir nicht sicher und traue mich nicht es selbst anzuschließen, wer weiß, welche Folgeschäden es dann wohlmöglich gäbe.

Inzwischen warte ich seit 2 Stunden auf den „Electricien“, Kaffeezeit schon vorbei, hoffentlich kommt er noch.
Die Saone hat Badetemperatur

Die Fahrt hierher war superschnell, zwar gegen die (schwache) Saone-Strömung, aber mit Rückenwind aus Südwest, in Böen mit 7 Beaufort vorhergesagt.
Sozusagen Spinnakerkurs, der Wind hat uns ordentlich geschoben, so dass wir schon um 13:00 Uhr im Hafen waren, die beiden Schleusen haben „mitgespielt“, so dass es kaum Verzögerung gab.
Der Name passt wie die Faust auf`s Auge
(nee, nicht schon wieder an den Junkie denken)





Beide Schleusen zusammen mit der “Croisi Europe Janine“, ein Passagierschiff, nicht zu groß, aber mit einem Namen, der wunderbar zu meiner Reise passt – Croisi Europe hört sich doch fast so an wie Querdurch-EU, oder?
Bei der ersten Schleuse musste ich noch auf den „Europadampfer“ warten, in die Zweite sind wir dann gemeinsam gefahren – danach habe ich ihn großzügig ziehen lassen – auch auf dem Weg durch Europa.




Er war da!
Elektriker, nur mit Taschenlampe bewaffnet, sagte im Grunde, er wüsste auch nicht, wozu das Kabel gehört. Dann hat er aber doch noch einen Spannungsprüfer geholt und alles durchgemessen – Fazit: Meine Reparatur war ok, es kann alles so bleiben, wie es ist, keine Gefahr für Kurzschluss oder so.
Also kann ich beruhigt weiterfahren, das ist doch toll.
Schöne kleine Stadt, St. Jean de Losne,
sehr gutem Hafen (vorne tief genug)

Aber sicher bin ich mir nicht, ob er das Problem richtig erkannt hat, denn er meinte zwar die Lichtmaschine lädt die Batterie, aber auch die Verbraucherbatterie?
Das wird ja vom Regler geregelt und der braucht meiner Ansicht nach dieses Kabel an der Ladestromleuchte bzw. an Klemme 61. Nur wo ist die?







Ich werde mal im Dehler Forum nachfragen, vielleicht schickt mir ein Dehler-Segler ein Foto, dann kann ich meine Vermutung bestätigen – oder nicht – bis dahin unternehme ich Nichts – hat ja bisher auch funktioniert – mit Landstrom und Solarstrom.

Gekostet hat der Mechaniker übrigens nichts (hat aber 5 € Trinkgeld bekommen), der Liegeplatz mit Strom, Dusche, Internet und sehr gutem Yachtausrüstungsshop kostet 10 Euro, ja zehn, Blanquart in St. Jean de Losne ist wirklich zu empfehlen.
Der Supermarkt in der Nähe ist auch prima – nur die Friseure haben am Montag zu, wird also nichts mit neuer Friese.

So ein Tag wie der heutige ist irgendwie toll – aufregender Beginn, mit gutem Ausgang (kein zusammengeschlagener Junkie an Deck, meine ich)- dann schnelle Fahrt und schönes Wetter (blauer Himmel mit Wolken, 25 Grad und Wind von hinten) – unterwegs hin und her überlegt, wohin denn nun dieses blöde Kabel 61 gehört – in schönen Hafen einen guten Platz bekommen – vom Profi bestätigt bekommen, dass für den Motor keine Gefahr droht – alles prima.
Aufräumen, nach Fehlersuche und Mechanikerbesuch.
Schiffsjunge, an die Arbeit!

Der 27. ist heute, ist ja auch meine Glückszahl – kein Wunder.

Überhaupt, solche Tage, mit all ihren kleinen Problemen machen eine großen Teil des Reizes einer solchen Reise aus – man hat viele Probleme, sie sind aber nicht existenzbedrohend oder unlösbar, man löst eines nach dem anderen – auch wenn es etwas dauert – und ist hinterher stolz wie Bolle, dass alles wieder in Ordnung ist.




Ich freue mich über meine Crew, der Koch bringt zur guten Lichtmaschinennachricht wieder einmal ein Steak auf den Tisch, dazu gibt es einen Rosé aus Macon – und der Schiffselektroniker mit Mechanikerdiplom platzt vor Stolz, dass er der Motor durchschaut hat und mit seinem Ansatz vom Profi bestätigt wurde.
Und der Passagier genießt den lauen Abend (28 Grad um 19:00 Uhr) und freut sich seines Daseins.

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